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er gar nicht aussprechen und auch mit
der Prosodie hatte eS seine Haken. Diese
Unarten und Manieren, schnell geschil-
dert, waren ungemein schwer abzugewöh
nen. Er machte Fortschritte, wenngleich
langsame. Auch ging es, da er nicht drei
Noten gehörig zu verbinden gelernt, mit
der Colloratur langsam vorwärts. Aber
als er die Fortschritte gewahrte, als mit
denselben auch der Umfang seiner Stimme
merklick wuchs, da bekam er selbst Muth
und Freude und bald ging es rascher vor«
wärts. Sein erstes Auftreten in einer
groĂźen Partie wurde jedoch durch einen
Zufall herbeigefĂĽhrt. Am 44. October
1830— Staud ig l war nun ändert'
halb Jahre beim Theater — sollt-e die
„Stumme von Potticl" von Au der
gegeben werden. Dle Rolle des Pietro
gab blüher der Sänger Siebert . Die»
ser aber meldete sich krank und der Direc-
tor, der die Oper nicht gerne ausfallen
lassen mochte, befand sich in nicht geringer
Verlegenheit. I n dieser Nothlage be-
fragte er Staudig l . ob er sich im
Stande fĂĽhle, die Partie oeS Pietro
bis Abends einzustudiren. Staudig l
sagte, ohne sich zu b. denken, zu. Zu ver»
liecen hatte er — selbst wenn es fehl-
schlug — nichts, er konnte nur Ze»vin»
nen, wenn er einigermaĂźen seine Aufgabe
löste. Er studirte nun über Hals und
Kopf mit Regisseur Deminer die Rolle
ein. Als aber Siebert davon hörte,
meldete er sich trotz seines Unwohlseins
gesund und sang Abends den Pietro,
wurde aber nun so heiser, daĂź er, als am
47. die Oper wiederholt werden sollte,
auĂźer Stande war. zu singen. Und am
47. October entschied sich S taud igl's
kĂĽnftiges Geschick; er trat fĂĽrSiebert
in der Rolle des Pietro auf. sang sie
und mit solchem Erfolge, daĂź ihm Direc.
torDuport versprach, ihn dieselbe noch zweimal singen zu lassen. Am Abende,
da Staudig l sie zum zweiten Male
sang, wurde ihm ein neuer Contract. auf
fünf Iabre lautend, eingehändigt, 'ver.
möge welchem er des Cliordienstes vom
j . November an enthoben und unter
bessere Verhaltnisse gestellt war. Nun
legte auch der berĂĽhmte Cicimara
Hand an an die Ausbildung Stau-
digl's und unter dessen unmittelbarer
Leitung studirte er nach und nach die
Rollen des Assur. Podesta und Bra-
bantio ein. Pietro blieb jedoch lange
Zeit die einzige Hauptpartie in seinem
groĂźen Verzeichnisse kleiner Rollen. Erst
am 22. März 183 l sang S. die zweite
größere, nämlich den Rocco in Beet-
hoven's ,Fidelio", dann folgten im
Mai: Sarastro; — im Juni: Moses;
— Juli: Astur-, —im August: ThoaS
in „Ivhigenia" ; — im September: 3e»
porello und Podeste in der „Diebi-
scken Elfter" u. s. w. ssehe S. 239
das Rollenrevertoire Staudig l's). Am
22. November 4831 erhielt S taudig l
das Decret als k. k. Hofcapellsänger und
am 4. September 1833 hatle er einen
neuen Contract mit Dupor t abge«
schloffen. Bis zum l. April 1843 wirkte
S. ununterbrochen an der Hofoper; nur
die Urlaube benutzte er zu Gastspielen.
FĂĽr den dreimonatlichen Urlaub im Jahre
1841 folqte er einer Einladung nach
London, wo er an der Seite der Lutz er
Md. XVI, S. 173), Holzel's ^Bd. IX,
S. 413), Reichardt's M . XXV,
S. 461). P i s ch e k's j M . XXII, S. 34.^
die Engländer zur Begeisterung hinriß.
Dabei hatte S taud ig l durch einen
Umstand, so geringfĂĽgig an sich, doch
seinen Charakter bezeichnend, die Eng«
länder vollends für sich eingenommen.
Ein armer deutscher Sanger hatte sein
Benefice. Er bat deshalb die damals
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Stadion-Stegmayer, Volume 37
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Stadion-Stegmayer
- Volume
- 37
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1878
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 362
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon