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Stein, Anton Joseph
wörtlich lautet: .Professor Ste in An
ton. der Philolog, vor ein paar Iah
ren verstorben, ungealtert, obschon stark
über die 80, steinalt und steinreich;
viele, viele Jahre bei einer starken Pen«
sion gut gewirthschaftet: und steinreich
auch an wirklichen Steinen. Er gab sich
der hübschen Passion hin. die nächstbesten
kleinen Straßensteine dunkelgrau zu be«
malen. daß sie aussahen wie Gemmen.
Welcher feine archäologische Gedanke!
Stein'S novantike Steine, wo mögen
sie sein? Dock nicht da, wohin er alle
Tabakraucher gewünscht: beim Teufel?"
Zur Charakteristik Stein's als Mensch, Lehrer
und Professor. S te in war eine jener gro»
testen Profejsorentypen, mit denen die vor«
märzliche Aera Oesterreichs nicht eben zu
dürftig ausgestattet ist. Er war ein gelehrter
Philolog, von jener Sorte, deren Gelehr»
samkeit keinem zu Nutzen, aber auch keinem
zu Schaden gereicht, wenn man nicht eben
die vernachlässigte classische Bildung der
jungen Leute als einen Schaden ansehen
will. Im Ganzen war er ein Original, dem
es an ebenso derben, als witzigen Einfällen
niemals fehlte. Als ein Studiosus nach obge.
legter schlechter Prüfung daoonrannte und
die Thüre heflig zuschlug, rief er ihm nach:
.Dem ist der Stein zu hart, drum will er
den Zorn an Holz auslassen." Als ein
anderes Mal ein Student. Namens Fischer,
bei feiner Prüfung dieselbe schlecht bestanden
hatte, und S te in , der Anton hieß. viel
nachzuhelfen und zu fragen hatte, rief dieser
aus: «Ich bin wie der h. Anton iuß,
der den Fischen predigen muß." An Ei«
cero's Geburtstage — am 3. Jänner —
pflegte S t e i n schwarz gekleidet, einen
Blumenstrauß in der Hand, ins Collegium zu
kommen. Es ließe sich eine artige Zusam«
menstellung feiner Bonmots. Eigenthümlich-
^ leiten und Schrullen ausführen. Manches
^davon findet sich in Memoiren und anderen
Schriften zerstreut. Als Poet besah er
Schwung und namentlich als Epigramma-
tiker beißenden Witz. Al5 wahres Muster
eines vernichtenden Epigramms kann z. B.
das folgende „Medaillon" überschriebene gelten:
.Alastor sieht mit stolzer Lust ! Sein Bild
an Lais' feiler Brust I Fürwahr noch hing 22 Stein, Anton Joseph
ein größ'rer Wicht I An einem schön'ren
Galgen nicht." Seine Epigramme auf Pro-
fessor Ignaz Liebel ^Bd. XV, S. 93)
möchten diesem nicht eben zu großes Ver.
gnügen bereitet haben; so lautet denn das
eine.- „Lipp lehrt es euch, wenn ihr's nicht
wißt l Was „eddelV „schehn" und »höslich"
ist". Feines mit attischem Witze verstand er
an bedeutende Männer zu richten, wie seine
Epigramme auf den Tod Beetbove n's. deS
Prinzen de Liane, des Astronomen Tr i es.
neck er, auf Nik. Ios. von Iacquin'K
Leichenfeier u. A. beweisen. Treffend witzig
und ohne Zwang sind seine ?zx"" ^ wir
möchten sie mit „Echos" übersetzen — genann»
ten Verse, wie z. A.: „Hnos aw.üut luolSb
»Qimi serviles? — v i lys . — Huiä pus»
ritia? Nonne mollig st siQovrk? — ovr».
ot ium. — Hukk gOxtbiQ virgo oolorioub
intet iniri«? — I r i s u. s. w. Ein Freund
Anton Stein's war der bekannte Epi-
arammendichterJohann Möser sBo. XVI I I ,
S. 430), mit dem er noch, bereits ein Acht-
ziger, jeden Sonntag den Kahlenderg zu be-
steigen pfiegte.
(Quellen zur Kiographie. Wiener Zei tung
1845. Nr. 4: „Nekrolog von B.(eramann).
— Allgemeine Theater » Zeitung,
Redigirt von Adolph Bäuer le (Wien,
gr. 4«.) 1844. Seite 242. in der Rubrik:
-Nekrologe". — Bauernfeld. Gesam«
melte Schriften. Zwölfter Band. Aus
Alt» und Neu.Wien (Wien l873. Brau»
müller, 8".) S. 8. ^Abweichend von den
üblichen Schilderungen seiner Lehrfäbigteit
zeichnet ihn Bauern feld mit folgenden
Worten: „Der Philologe S te in war ein
stämmiger, kräftiger, alter Mann. nachlässig
gekleidet, mit offener, haariger Brust und
struppigem Bart. Dieser philologische Dio»
genes besah großes Nissen, nur verstand er
es durchaus nicht, sich fruchtbar mitzutheilen
oder die Jugend für sich selbst und sein Fach
zu interessiren. geschweige zu begeistern. Mit
der Erklärung einer einzigen Horaz'scken
Ode brachte er wohl an die acht Tage zu;
dabei kam er vom Hundertsten aufs Tau-
sendste, schimpfte über die Jugend, über's
Billardspielen, über's Biertrinker!, wie über
das dem Verfasser des «^mor e^uo-
Vkilu«" besonders verhaßte Tabatrauchen."
— Zur richtigen Auffassung der vorstehenden
Charakteristik sei bemerkt, daß S t e i n,
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Stehlik-Stietka, Volume 38
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Stehlik-Stietka
- Volume
- 38
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1879
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 398
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon