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engeren Vaterlandes dichterisch wiederzu
spiegeln die Absicht hatte. So ftoß sein
Leben, je älter er wurde, desto gleich-
mäßiger dahin, bis
sich die ersten Vorboten
eines schon längst heimlich eingenisteten
Leidens meldeten. Im December 4863
trat eS zum ersten Male mit größerer
Heftigkeit auf und fesselte ihn cms Zim«
mer. Als ein schwerer Winter überstan-
den war. suchte er mit Beginn der besse-
ren Jahreszeit Erholung im Gebirge.
So begab er sich denn an ein trauliches
Plätzchen am Rande des bayerischen
Waldes, in der Nähe des Dreiseffel-
berges. wo er auf dem Anwesen eines ihm
befreundeten Paffauers, Herrn Rosen-
berger, über den uns Herr Markus
in seiner jüngsten Schrift über St i f te r
nähere Aufschlüsse bringt, den Sommer
verlebte. Er hatte sich während dieser
Sommerfrische sichtlich erholt und kehrte
neu gestärkt nach Linz zurück. Aber sein
Uebel war nicht gehoben, es schlummerte
nur, um im darauf folgenden Winter
mit neuer Heftigkeit zu erwacken. Dies»-
mal verfuhr die Krankheit viel unbarm»
herziger mit dem Dichter, sie erschütterte
ihn in seinem innersten Selbst, erfüllte
ihn mit tiefster Sorge und brachte ihn
auch physisch gewaltig herunter. Der
einst so stattliche, behäbige Mann war
wie umgewandelt. Gebeugt, gebrochen
wankte er durch die Straßen, ein Ge«
genstand tiefgefühlter Theilnahme für
Alle, die ihn kannten. Sobald er sich
stark genug fühlte zu reisen, begab er
sich nach Wien, um die dortigen Aerzte
über seinen Zustand zu Rathe zu ziehen.
Sie empfahlen ihm Karlsbad, und im
April 1864 begab er sich dahin voll
Muth und Hoffnung. Den Rest der
Jahreszeit verlebte er wieder am Fuße
des Dreisesselberges. Den darauf fol.
genden Winter brachte er nicht in Linz zu, sondern miethete sich in Kirchschlag,
einer in der Nähe von Linz auf einem
3000 Fuß hohen Bergrücken gelegenen
Ortschaft, ein, die wegen ihres trefflichen
Waffers und ihrer gesunden Luft beliebt
war. Dort lebte er in einem ganz kleinen
Kreise lieber Menschen, die ihn verstan-
den und würdigten. Schon bei Beginn
seines Leidens hatte sich ihm die Frage
aufgedrängt, ob er nock weiter zu die-
nen im Stande sein würde? Die wei-
leren Phasen seines Leidens stellten diese
Frage nur noch mehr in den Vorder-
gründ, und die Pelisionirung nach dem
damaligen Pensionsgesetze mit einem
Dr i t te l seilies Gehaltes war das dro-
hende Phantom, das ihn schreckte und
mit stets steigender Unruhe erfüllte.
Aber diese Frage sollte sich durch eine
glückliche Fügung des Geschickes über
alles Erwarten günstig entscheiden. Hof»
rath K r i e g s a u, bis dahin in Linz
bei der Statthalterei bedienstet, war
eben nach Wien ins Staatüministeriurn
berufen worden, mit welchem damals
die Leitung des Unterrichtsministeriums
verbunden war. Minister Schmer-
l i n g stand als Staatsminister an der
Spitze beider. Hofrath von Krieg Sau
legte auf die Waage, mit welcher Stif»
ter's Verdienste im Staatsdienste ge»
wogen worden, in die hochauffliegende
Schaale der vierzehn Dienstjahre, zu
denen also für den berechtigten Bezug
der vollen Penston noch 26 Jahre fehl-
ten, die literarischeti Verdienste des
Dichters, und sie sank so tief, daß
er eS unternehmen durfte, auf Pensio»
nirung mit dem vollen Gehalte und
noch etwas darüber, nämlich Verleihung
des Hofrathstitels anzutragen. Auf
den Vortrag des erleuchteten Ministers
an den Kaiser wurde Beides geneh-
migt. und als die Kunde von diesem
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Stifft-Streel, Volume 39
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Stifft-Streel
- Volume
- 39
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1879
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 400
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon