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Tancsics
Charakter an sich trugen, vornehmlich
des oberwähnten „Volksbuches" wegen
in Untersuchung gezogen und zu mehr«
jähriger Kerkerhaft verurtheilt. Nun kam
die l 848er Bewegung, über welche der
Silhouettist Kossuth's undder Banner«
schaft desselben bemerkt: „Man hat wäh«
rend der magyarischen Schiloerhebung
manche politische Sünden begangen,
aber nur zwei Bstisen. Die in Europa
bekanntere Albernheit war der 14, April
in Debreczin, die weniger publique. aber
koloffale Dummheit war die Befreiung
des ultraradicalen Schriftstellers Mi»
chael Tancsics, der seit längerer
Zeit wegen aufrührerischer Volkskatechis»
men, gedruckter sicilianischer Vespern
und anderer derlei geschriebener Vor»
abende zukünftiger Bartholomäusnächte
in Ofen in Haft saß. Der überschnappte
Demokrat ward am 45. März Abends
gegen die moralische Haftung Nyari's
M , XX, S. 44<1 von der mit ein-
seitiger Politik leicht fertigen Jugend im
Triumphe über die Schiffsbrücke nach
Pesth herübergezogen. Wir nannten
diese Befreiung eine kolossale Dummheit,
denn Tancsics war für die Unab«
hängigkcit Ungarns nur insoweit interes»
sirt, als dieselbe seinen communistischen
Grundsätzen förderlich erschien. Wir
würden Tancsics nie anders malen
denn als Csikos, wie er an schönen
Sommerabenden, mit Aristokraten und
Rothschilds behaftet, dieselben gemüthlich
zwischen den Fingern walkend, langsam
— abtödtet". So der Silhouettist.
Tancsics, aus seiner Haft entlassen
und mit Jubel durch die Stadt geführt,
bezog ein Quartier im Hotel „;um
Palatin" in der Waitzener Gasse. Als er
dasselbe nach einiger Zeitverlaffen wollte,
um in eine andere Wohnung üderzu.
siedeln, weigerte si'd der.Hotelier, von ihm eine Bezahlung anzunehmen. Auf
dem zu jener Zeit einberufenen Landtage
erschien Tancsics als Abgeordneter
der Stadt Bekös. Ueber sein parlamen-
tarisches Wirken in jenen Tagen gibt
es aber wenig zu berichten. Am 29. August
brachte er den Antrag ein. man solle
die Weinzehnten und Regalbenesicien
um so rascher aufheben, als der Ban
ahnliche Concessionen in Baranya ver»
sprochen habe, denen man zuvorkommen
müsse. Dagegen entwickelte er eine um
so größere wahrhaft Abscheu erregende
Thätigkeit in der Presse. Er gab eine
Arbeiler>Zeitung heraus, in welcher er
die „kreluisrs äe ?O§t" selbst schrieb.
Darin nun legte er sich so wenig Schran»
ken auf. daß man ihm sogar in der
damals so erregten Zeit, in welcher haar»
sträubende Preßvergeben ungeahndet
blieben. Anfangs September eineS Arti-
kels wegen den Proceß machte. Daß die
Regierung diesen Muth besaß, anerkannte
man von allen Seiten. „Wer diesen
sturmläutenden Aufsatz gelesen", schrieb
ein Journal, „und die Wirkung kennt,
welche die tolle Sprache und cynische
Verrücktheit, die Hundstagspolemik die»
ses um hundert Procente noch gefähr.
licheren a.mi äu. penpie auf dab unge»
bildete Volk in der gegenwärtigen trau«
rigen Lage ausüben konnte, muß der
Regierung Beifall zollen. I n Frankreicd
stünde Tancsics jetzt vor einem Mili<
tärgerichte. in England würde er auf
zehn Jahre deportirt". Nun, der Preß-
proceß wurde ihm wohl angehängt, aber
der Angeklagte ging straflos aus. Einige
Monate später decretirte die Pesther
Behörde, daß Tancsics eine Summe
von 300 fl. ;u zahlen habe, weil er als.
Nedacteur der ^lunkäsok H^ä^a"
unterlassen, die erforderliche Caution ^i
hinterlegen. Daß man nach Bewältigung
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Tabacchi-Terkla, Volume 43
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Tabacchi-Terkla
- Volume
- 43
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1881
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 320
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon