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lichen Stande zu widmen, und zwa
wünschten sie ihn in den Franciscaner»
oder Minoritenorden aufgenommen zu
sehen. So leiteten sie denn auch seine
Erziehung nach dieser Richtung und
gaben ihn in die Schule der Philippiner,
Priester äeU'OrHtorio äi 8. VW
^sri. Auch ließen sie auf eigene Kosten
im Kloster ein paar Zellen ausschmücken,
welche ihr Sohn in der Folge bewohner
sollte. Aber es kam alles anders, als si«
eS gedacht und gewünscht. Der Knabe
der schöne Talente besaß und lebhaften
Temperamentes war, mußte nach Capo
d'Istria geschickt werden, wo er in der
Schule der Scolopier (kaäri äsU
sonois vie) die HumanitätSclaffen been
dete und zugleich die Anfangsgründe
der Musik, besonders des Violinspiels
erlernte. Auch ritterliche Passionen, wie
das Fechten, übte er mit großem Fleiße
und that es darin bald allen anderen
Schülern zuvor und seinem Meister gleich.
Noch als er 1710 von seinen Eltern zur
Fortsetzung der Studien auf die Pa
duaner Hochschule geschickt wurde, trug
er Priestertracbt, wie in Italien alle
Knaben, welche für den geistlichen Stand
bestimmt sind. Aber bald sprengte der
feurige Geist des Jünglings die Fesseln,
statt Theologie, studirte er mit großem
Elfer die Rechte, und statt geistlicher
Nebungen besuchte er fleißig den Fecht»
boden. auf dem er einer der Ersten ward,
wie er sich denn auch häufig an den
Schlägereien seiner Collegen betheiligte,
ein wüstes Ieben führte und mit dem
Plane sich trug. als Fechtmeister nach
Paris oder Neapel zu gehen. Doch an
dcr Ausführung dieses Gedankens hin.
derte ihn die Liebe. Unter seinen Schule-
rinen in der Musik befand sich eine
Dame, deren Familie von dem dcr»
maligen Bischöfe von Padua, Cardinal Cornaro , dem Sprossen eines berühm-
ten Venetianer Geschlechtes, abhangig
war. I n diese Dame verliebte er sich
und fand Gegenliebe. Da aber beide
sowohl der Ungleichheit deS Standes
als der Verhaltnisse wegen, wie sie lagen,
auf eine Billigung ihrer Neigung nicht
hoffen durften, vermalten sie sich heim»
lich. Kaum erfuhren Tart in i 's Eltern
von dieser Heirat, als sie dem Sohne
jede weitere Unterstützung entzogen, aber
auch Cardinal Cornaro, als er von
der Sache Kenntniß bekam, war gegen
Tar t in i in hohem Grade aufgebracht
und wollte ihn verhaften lassen. Dieser,
noch bei Zeiten von der Gefahr, die ihm
drohte, unteriichtet. flüchtete, als Pilger
verkleidet, nach Rom. aus Furcbt vor
Entdeckung seine Frau in Padua zurück«
lassend. Lange fand er keine Zuflucht,
bis er im Mmoritenkloster zu Assifsi einen
Verwandten traf, der ihm daselbst heim-
lich Aufnahme gewährte. Um vor den
Verfolgungen des Cardinals sicher zu
sein, durfte er sein Versteck nie verlassen,
und da es in demselben an jeder Ge»
legenheit zu Fechtübungen fehlte, so trieb
er mit besonderem Eifcr Musik, vor»
nehmlich Violmspiel, dem er überhaupt
nie ganz untreu geworden. Der Um-
stand, daß kaälQ B o e m o, der später
als Organist des MinoritenklosterS zu
großem Nufe gelangte, unseren Künstler
daselbst als Violinspieler kennen lernte,
brachte die beiden Musikfreunde einander
naher. Tar t in i wurde ein aufmerk»
samer Schüler Boemo'S und verlegte
sich nun eifrig auf das Studium dcr
Tonkunst. Aber in der klösterlichen Abge»
'chiedenhöit trat auch an die Stelle seiner
früheren Ungeberdigkeit und Rauflust
ein demüthigeS. schlichtes Wesen, welches
ihm für die ganze Folgezeit seines Lebens
igen blieb. Auch soll er wahrend dieses
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Tabacchi-Terkla, Volume 43
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Tabacchi-Terkla
- Volume
- 43
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1881
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 320
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon