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Thalberg, Sigiömuud Sigismund
gl änzten Kalkbrenner und H u m mel!
in dieser Kunst dnrch Correctheit und!
bewunderswerthe Fertigkeit, Moscheles ,
und Herz durch bezaubernde Eleganz!
und Vollendung des Vortrags, Chopin!
durch überraschende Originalität und ein j
übermäßiges Schwelgen m barocken Fi-
guren. Unter diesen Koryphäen leuch-
teten nun ziemlich gleichzeitig am musi-
kalischen Himmel zwei Sterne auf,
T h a l b e r g und L i s z t. Beide
no^ Knaben, schienen sie dazu berufen,
eine neue noch glänzendere Seite des
Clavierspiels, welche das bisher Geleistete
weit überbot, zu entwickeln und die
Technik in Behandlung der Tasten übe: >
das bereits Vorhandene hinaus, wo!
nicht zur äußersten Grenze zu führen, z
Den Kritikern siel es schwer, das (5on ^
geniale in beiden Künstlerknaben zu >
sondern und richtig zu charakterisiren.
Am treffendsten schien Thalberg's Spiel
jener zu erklären, der schrieb: „Unter
seinen Händen wird das Piano zu einer
Orgel, mit solch gewaltigem Geiste und
solch unglaublicher Fertigkeit weiß er es
zu behandeln, und man glaubt annehmen
zu müssen, daß Hände, die solches aus-
führen können, nicht blos zehn Finger
haben könnten; neun derselben führen die
schwierigsten Variationen aus, während
der kleine Finger der linken Hand das
Thema mit bewunderungswürdiger Prä-
cision und Delicatefse spielt. Durch einen
äußerst künstlichen Mechanismus in der
Applicatur weiß er die verschiedenen Ton^
regionen seines Instrumentes viel näher
zu dringen, während man fie früher nur
in einer Zeitfolge durchlief; ja er weiß sie
kunstvoll in ihrem ganzen Umfange zu
verbinden, und so repräsentirt sein Spiel
eigentlich das Massenhafte, es ist grandios,
verbindet aber damit die leichteste Aus-
führung der verwickelisten Figuren, die mitten hindurch die effectvollsten Melodien
hören laffen". Um jene Zeit erschien ein
Bildniß des vierzehnjährigen Wunder-
knaben; es hing in den Schaufenstern der
Kunstladen und war bald vergriffen.
Heute ist dasselbe eine solche Seltenheit,
daß es selbst in reichen Porträtsamm-
lungen nicht angetroffen wird. Im Jahre
1829 trat Thalberg in Wien bereits
mit eigenen Compositionen als Clavier-
virtuose öffentlich auf. Der Erfolg war
ein unbeschreiblicher. Indessen verblieb
der junge Künstler noch mehrere Jahre
in den gewohnten Verhältnissen, unter
der unmittelbaren Leitung seiner genialen
Mutter, unablässig an der möglich
höchsten Präcision der Technik arbeitend,
dann erst (1834) unternahm erden ersten
Kunstausflug nach verschiedenen deutschen
Städten, ließ sich ab und zu wieder in
Wien, auch einmal in Teplitz vor den
daselbst versammelten Monarchen hören,
wo ihm seine Virtuosität allerlei Ehren
und Geschenke und die Ernennung zum
kaiserlichen Kammervirtuosen einbrachte.
Im Jahre 1833 endlich begab er siä>
nach Paris, nicht erst um dort, wie ec>
bis dahin üblich war, die Feuertaufe des
Virtuosen zu empfangen, sondern um die
Pariser zu überzeugen, daß man dieselbe
auch anderswo empfangen haben könne.
In der Seinestadt nahm er nun seinen
dauernden Aufenthalt und rang in öffent-
lichen Concerten mit Liszt um die Palme
des Sieges. Letzterer sgeb. 1811) war ein
Jahr älter als Thalberg, und seine
bedeutende geistige Ueberlegenheit gab
ihm sicher das Uebergewicht, da die
Leistungen seines Rivalen, so großartig
und nach der eminenten Technik hin
unübertroffen sie waren, doch immer nur
den Gpicuräismus in der Musik, wenn
auck im edleren Sinne des Wortes, zu
repräsentiren vermochten. Nlcbtsdesto-
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Terlago-Thürmer, Volume 44
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Terlago-Thürmer
- Volume
- 44
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1882
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 360
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon