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welch beide Werke er diesem hohen Wür-
denträger der Kirche dedicirte. Die Messe
wurde auch in Prag und Wien unter
Mitwirkung ausgezeichneter Künstler mit
solchem Beifall aufgenommen, daß sich
das Wiener Conservatorium für Musik
eine Abschrift erbat und den Tonsetzer
mit einer sehr schmeichelhaften Dank»
adresse beehrte. Mit diesen immerhin
ehrenvollen Huldigungen und Anerken«
nungen gingen leider die materiellen Er-
folge nicht Hand in Hand, und der in
dürftigen Umständen lebende T i t l hatte
mit einer ziemlich sorgenvollen Lage zu
kämpfen. Indessen fanden seine bei En-
ders in Prag periodisch erscheinenden
Lieder, welche man Schubert's Ar-
beiten, dessen Manen sie gewidmet waren,
gleichzusetzen nicht anstand, gleichfalls
sehr freundliche Aufnahme; sie sind auch
in der That rein und klar in Erfindung
und Durchführung gehalten, voll Melo-
die, tadellos im Styl und zählen zu des
Künstlers besten Arbeiten. Außerdem er-
schienen damals von seinen Clavier-
compofitionen ein Rondeau in <3, eine
Polonaise in As und eine Faschingscaprice
in ^., die sich durch leichten, melodiösen
und gefälligen Gang auszeichnen. Zu
jener Zeit lebte T i t l in Olmütz, wo
er sich mit Unterrichtgeben beschäftigte,
nebenbei aber einen ihm eigenthümlichen
Kunstgriff, aus den Knoten seines Sack-
tuches musikalische Gedanken herauszu-
lesen, fleißig in Anwendung brachte, das
heißt sehr viel Sachen componirte, von
denen mehrere Männerquartette und ein!
zum Lieblingsliede der Studentencon»
ventikel erhobenes „Gondellied" zu er-
wähnen sind. Wie in früheren Jahren
sein vorerwähnter Sacktuchknopf, so
wurde in seinen späteren Jahren wieder
der weiße Handschuh, mit dem er —
ohne ihn zu wechseln — jahrelang ! dirigirte, berühmt, oder besser gesagt,
l berüchtigt. Von Olmütz folgte er 1833
! einem Rufe nach Prag als Militär-Capell°
I meister bei dem Infanterie - Regnnente
! Latour. Daselbst verlegte er sich vorab
auf die Tanzmusik und wurde, wie einer
seiner Biographen schreibt, der Regene-
rator der damals graffirenden Polka, und
feine „Wastelpolka" wie das eben er«
! wähnte „Gondellied" machte in der That
, die Reise um die Welt und stand dann
jahrelang auf den Walzen der Orgel»
spieler, die irgendwo die Straßen einer
Großstadt unsicher machten. Nach mehr-
jähriger Thätigkeit als Militär-Capell-
meister kam er 1840 als Capellmeister an
das Iosephstädter Theater in Wien. I n
dieser Stellung hatte er die Aufgabe, zu
einer Unzahl nicht immer stylgerechter
Possen die Musik zu schreiben, und er that
es nicht selten mit besonderem Glücke, wie
dies seine Musik zum „Zauberschleier"
beweist, der über zweihundert Auffüh»
rungen hintereinander und dann wieder
zweihundert erlebte ^vergleiche Told's
Biographie im nächstfolgenden Bandes -
außerdem componirte er aber viele Lieder,
die sich, wie seine früheren, freundlichster
Aufnahme erfreuten. Nach einer durch
die Sturm- und Drangperiode des Jahres
1848 aufgezwungenen Pause wurde er
1830 Kapellmeister an dem k. k. Hof»
burgtheater in Wien, in welcher Stellung
er über zwanzig Jahre verblieb, bis er,
nachdem Dingelstedt das Burgtheater«
orchefter reorganisirt und Julius Sulzer
an dessen Spitze berufen hatte, im Jahre
1870 mit halbem Gehalte in den Ruhe-
stand trat. In seiner letzten Stellung hat
T i l l nicht weniger als 3l Tragödien- und
DrameN'Ouverturen, zu 32 Stücken auch
noch melodramatische Musik, zu 20 ande»
reu Entreacts und Actschlüsse geschrieben,
eine Masse von Orchestereinlagen, Mär«
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Thugut-Török, Volume 45
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Thugut-Török
- Volume
- 45
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1882
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 324
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon