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Tschabuschnigg Tschabuschnigg
ivären mit einem Male der guten Sache ge« j
wonnen, wenn erst eine klug bedenkende und '
rasch wirkende Bundesversammlung das Wohl
Italiens überwachte; die Zersplitterung lüsti
sich in Einheit, und diese Einheit ließe den»
noch allen löblichen Sonderheiten und Be» !
strebungen Raum. Die beiden Staatenbünde!
bildeten dann den Kern von Europa. Mögen ^
immerhin die umgebenden Randreiche in >
ihrer kostspieligen Einheit fester und schlag- ^
fertiger dastehen, unverletzlich wäre auch der '
doppelte große Bund. ihm bliebe Europa's
gesetzgebende Gewalt vorbehalten, jenen die.
ausführende". Man sieht, Tsch abuschnigg !
war kein politischer Träumer, nicht Utopien!
plante sein Kopf, sondern, schon fast vor vier!
Jahrzehnten, Dinge, deren Verwirklichung die >
Gegenwart anstrebt. Doch das waren An» <
sichten, die er in seinen Werken aussprach,
und die sich ganz gut lesen lassen. Wir
nmssen ihm auf den parlamentarischen!
Boden, auf welchem er lange Jahre ge-. ,
standen, folgen und sein Verhalten dort näher !
ins Auge fassen. Tschabuschnigg war!
eines der thätigsten Mitgl ieder des!
Abgeordnetenhauses, welchem er vom
Brginne der Verfassung bis 1870 angehörte,
worauf er ins Herrenhaus berufen wurde.
Er war Mitglied der wichtigsten Ausschüsse,
und leitete insbesondere als Dbmann die
langwierigen Berathungen über das Straf«
geseh und über die Strafprozeßordnung. Bis
Schluß des Jahres 1863 hielt er im Abgeord»
netenhause 22 längere Reden; er betheiligte
sich bereits an der ersten Adreßdebatte am
11. Mai 1861 und dann auch an den fol»
genden vom 3. Juni 1863 und 3. Juni 1867
und kennzeichnete darin seinen Standpunkt
als entschiedener Anhänger der Verfassung
und der Reichseinheit;. am 29. Mai 186l
sprach er zu Gunsten der Kompetenz des
Neichsrathes gegenüber den Landtagen. Er
betheiligte sich an den meisten Debatten über
Iustizgegenstände, so sprach er in der Sitzung
vom 3. September 186t über Iustiz'Organi«
sation, am 18. und 20. November 1861 über
den Schutz des Briefgeheimnisses; am 13. Fe<
bruar 1862 über Geschwomengerichte in
Prehsachen; am 16. Juli <867 für Ab<
schassung der Todesstrafe, am 31. März 186s
über die Concursordnung; am 20. Mai 1868
über die Discivlinarbehandlung der richter»
lichen Beamten. Seine Neoe über die Todes«
strafe wurde mit lebhaftem Beifalle auf'
genommen; schlagend wirkte insbesondere das Motiv, das er von der Unsicherheit in den
Begnadigungsanträgen hernahm; er sagte.-
„Ja, soweit die Begnadigung ein Ausfluß der
Majestät ist. steht uns die Frage durchaus
nicht zu, warum ein einzelner Verbrecher
hingerichtet, ein anderer begnadigt wurde.
Allein nach der Natur der Sache ist es in
einem großen Staate nicht möglich, daß der
Staatschef die bezüglichen Strafprocesse selbst
durchstudire, er muß sich bei seinen Begna-
digungen auf die Darstellungen und Anträge
der dazu bemfenen Personen und Behörden
verlassen können Die thatsächlichen Um-
stände der einzelnen Verbrechen, die Motive
derselben sind oft so verwirrt, daß drr Be«
gnadigungsantrag — verzeihen Sie mir das
einigermaßen frivole Wort — zur Geschmacks-
sache wir3 die zufällige Zusammensetzung
des Senates, in welchem der Begnadigungs-
antrag zum Vortrage kommt, ist von ent«
scheidenden! Einflüsse für das Schicksal dieses
Antrags. Die Auffassung des Referenten, seine
Darstellung sind zunächst maßgebend und
endlich auch die Auffassung der einzelnen
Votanten und ihre augenblicklichen Stim»
mungen Meine Herren, ich glaube, daß
in der Thatsache, daß die Anträge auf Be<
gnadigung von Persönlichkeiten, von Stim»
mungen, von Auffassungen abhängen, ein sehr
gewichtiger Grund für die Abschaffung der
Todesstrafe liege " — Als Berichterstatter
über das Iustizbudget entrollte er in seinen
Reden vom l2.. 14. und t?. Mai 1862 eine
Reihe werthoollster statistischer Daten über
die Iustizzustände aller Culturstaaten unter
steter Vergleichung mit unseren österreichischen
Verhältnissen; er setzte die Resolution durch,
daß bei der nächsten Organisirung die Justiz»
beamten in Oesterreich finanziell günstiger
gestellt werden sollten, und erwirkte gleich«
zeitig für die minder besoldeten Gerichts»
adjuncten eine Zulage von je 100 st. In der
Sitzung vom 4. November 1863 stellte er,
ebenfalls als Referent des Iustizbudgets, den
Antrag auf Zulage von 23, rücksichtlich
13 Percent für alle Iustizbeamren minderer
Gehaltstufen, welchen Antrag das Abgeord»
netenhaus in der Sitzung vom 1. December
in der veränderten Fassung annahm, daß
jeder (5onceptsb?amte der Gerichte, rücksichtlich
der Staatsanwaltschaften, einschließlich die
Landesgerichtsrathe, eine Zulage jährlicher
15i) st. erkalten solle. Der damalige Justiz»
minister I)i-. Hein bekämpfte beide Anträge
und behauptete, daß der Auähilfsfond in
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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Trzetrzewinsky-Ullepitsch, Volume 48
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Trzetrzewinsky-Ullepitsch
- Volume
- 48
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1883
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 346
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon