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Verfmg-Hauptmann 137 Verfing-Hauptmann
zu lebenslänglichem Engagement. Auch
wurde sie zur Vorleserin am herzoglichen
Hofe -ernannt. Im Winter 1864 erhielt
sie einen fünfmonatlichen Urlaub zu
einem längeren Gastspiele am Hoftheater
zu St. Petersburg. Nach Coburg zurück-
gekehrt, fand sie die Verhältnisse in einer
Weise geändert, daß ihr das lebenslang-
liche Engagement, welches sie wegen der
Vortheile einer bleibenden Stellung mit
Rücksicht auf ihren Gatten und ihre
Kinder eingegangen war, denn doch uner-
träglich wurde und sie dasselbe auch
endlich aufgab. Die nächste Zeit nach
dem Verlassen der Coburger Bühne dachte
sie zu Gastspielen zu benutzen und begann
auch mit einem solchen an dem Hof-
theater zu München. Eine Fortsetzung
derselben ließ der Ausbruch des morde«
rischen Bruderkrieges 1866 nicht zu, und
so kehrte Frau Versing in den Kreis
ihrer Familie zurück. Im Jahre 1867
nahm sie ihren künstlerischen Rundgang
wieder auf, und zwar mit einem Gast'
spiele auf der deutschen Bühne in Prag,
wo sie dann auch für mehrere Jahre
Engagement in ersten Rollen fand. Da
überraschte sie im Frühlinge 1871 das
Publicum mit einem Schreibebrief, der
die Zumuthung mehrerer Journale, sie
möge in das altere Fach übergehen, in
eigenthümlicher Weise zurückwies. Frau
Versing'Hauptmann war zu jener
Zeit 36 Jahre alt, Mutter mehrerer
Kinder, also eine solche Zumuthung eine
ganz natürliche. Ihre in diesem Briefe
ausgesprochene Erklärung aber, mit dem
älteren Fache nichts zu thun zu haben
und sich gar nicht danach zu sehnen,
machte einen entschieden komischen Ein»
druck. Sie blieb im Ganzen vierzehn
Jahre in Prag; als Liebhaberin war
ihre Zeit zu Ende; ins Charakterfach
überzugehen, dazu fehlte ihr das Zeug; unter diesen Verhältnissen, zu denen sich
noch andere nicht minder maßgebende
gesellten, verließ sie das Prager Engage-
ment, ging dann nach Wien, nacd Ham>
bürg und zuletzt nach — Amerika, wo sie
überall in kurzen Engagements thätig
blieb. Hierauf kehrte sie nach Prag zurück
und lebt daselbst bei ihrem Manne.
Von der Bühne hat sie sich — die nun
bald Fünfzigjährige — ganz zurück'
gezogen. Die vorzüglichsten Rollen in
ihrer Glanzzeit waren: Phil ipp ine
Welser, Adrienne Lecouvreur,
Maria Stuart , Judith in Hebbel's
gleichnamigem Stücke, Mol ly in „Ein
deutsches Dichterleben", D onnaDiana,
die Iungfrau von Orleans, Gret-
chen im „Faust", Iphigenia, De«
borah, Mar ia Theresia in Sacher«
Masoch's „Mann ohne Vorurtheil"
und Pietra in Mosenthal's gleich»
namigem Stücke, welche zwei letzten
Rollen von ihr eigentlich geschaffen
wurden, da sie die Erste war, welche die-
selben spielte. Aber nicht blos als dar-
stellende Künstlerin ist Frau Verfing-
Hauptmann aufgetreten, auch auf
schriftstellerischem Gebiete hat sie sich
wiederholt versucht. Zuerst gab sie ein
Bandchen „Gedichte" (Leipzig 186t, O.Wi»
gand, 16".) heraus; denselben folgte
dann ein Bandchen „Nanellen" (1866),
„Aus meinem Frauenleben", „Die Philo»
sophin" und „Carla Colomba" enthal»
tend. Mehrere andere veröffentlichte sie
in Zeitschriften, und eine größere Arbeit:
„Hebbel und das deutsche Theater"
wurde 1867 als demnächst erscheinend
angekündet, ist aber bis zur Stunde nicht
erschienen. Was ihre dramatische Kunst
betrifft, so bezeichnete sie Herr Sacher-
Masoch als Charakterdarstellern
xa.r sxoeiisnclO (!); als Dichterin räumt
er ihr eine minder hohe Stelle ein, indem
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Vastag-Villani, Volume 50
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Vastag-Villani
- Volume
- 50
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1884
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 338
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon