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erwähnte Joseph Kovar schickte nun im
October des nämlichen Jahres diese Hand-
schrift, ohne anzugeben, wie, wo und vor
wem sie gefunden worden sei, nach Prag.
wo man sich anfänglich auch nicht damit
zurecht fand. Kovar aber verheimlichte
seinen Namen, weil er sich ohne Erlaub»
niß seines Gebieters, des Grafen Hiero-
nymus Colloredo « Mansfe ld, in
den Besitz des Manuskriptes gesetzt hatte
und nun besorgte, wenn die Sache be
kannt würde, um seinen Dienst zu kom
men. Auf der Dechantei war man wohl
von dem Vorgange des Finders in
Kenntniß, bewahrte aber aus denselben
Gründen das Geheimniß. Die böhmischen
Palaographen erklärten, daß das Manu»
stript nach Inhalt und Schrift in das
achte oder neunte Jahrhundert, in die
Zeit der Königin Libussa gehöre und
demnach eines der ältesten Sprachdenk,
mäler der oechischen Literatur sei. Es
wurde nach seinem Inhalte „Libussa's
Gericht" genannt. Man hatte aber —
und wie dies geschah, ist nicht zu erklären
— unterlassen, nach dem Fundorte und
dem Finder zu forschen. Mittlerweile
starben mehrere der erwähnten Pfarrer
und Capläne, welche von diesem Funde
gewußt, so auch der Dechant Boubel
im Jahre 1834, und der Rentbeamte
Kovar, der eigentliche Finder, 4848.
Gegen Ende 1846, also 28 Jahre nach
Absendung des Manuscriptes nach Prag,
kam Vor ig ek als Hofcaplan nach An-
kov und genoß öfter die Gastfreund-
schaft des obengenannten Zeman, der
Boubel's Nachfolger in der Dechantei
geworden. Bei einem der Besuche, welche
er dem Dechanten zwischen 184? und
1832 abstattete, kam unter den anwe-
senden Geistlichen die Rede auf jenen
Mamlscriptfund, und das rief auch in
ihm die Erinnerung an eine Handschrift wach, welche in den Anfängen der oechi-
schen Literatur erwähnt war, über welcke
jedoch jede weitere Auskunft fehlte. I m
Jahre 1868 begann nun David Kuh in
dem von ihm herausgegebenen „Tages-
boten aus Böhmen" seine Angriffe gegen
die Königinhofer Handschrift, und gegen
„Libussa's Gericht", ungeachtet sich Pa-
lack^ zum Patron beider auswarf.
Dieser literarische Kampf erregte die all»
gemeine Aufmerksamkeit, und VoriLek
verfolgte denselben um so schärfer, als
ihm nun Manches in der Erinnerung
aufdämmerte, was zur Aufklärung der
aufgeworfenen Zweifel dienen konnte.
Die Zeugen dcs Fundes waren meist
todt, nur der bereits auch alternde
Zeman lebte noch. Da in den letzten
Stunden erinnerte sich Vor isek, wie er
in den Jahren 1847—1832 über die
Angelegenheit von den älteren Pfarrern
hatte sprechen gehört, und unternahm es
nun, auf die Angriffe Kuh's zu ent-
gegnen und Zeugniß zu geben für die
Echtheit der Grüneberger Handschrift.
Auch berieth er sich mit dem Dechanten
Zeman, dem allmälig der volle Sach»
verhalt in Erinnerung kam. Die nun
über den ganzen Vorgang verfaßte, alle
die angeführten Einzelheiten aufhellende
Abhandlung schickte er am 1. Februar
1839 an Dr. V. V. Tomek, den Re-
dacteiir der „Zeitschrift des böhmiscben
Museums", und darauf wurde sie im
uinlr" im nämlichen Jahrgange
S. 133 abgedruckt. Das böhmische Mu-
seum nahm auch seinerseits die Angele-
genheit in die Hand. Dr. Tomek reiste
elbst nach der Dechantei St. Nepomuk,
nahm dort Alles in Augenschein, und
Dechant Zeman berichtete treu, was-
er von der Sache wußte, und gab Alles-
u Protokoll als der einzige den Fund
»er Grüneberger Handschrift überlebende
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Villata-Vrbna, Volume 51
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Villata-Vrbna
- Volume
- 51
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1885
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 350
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon