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Wahrmann. Israel 146 Wahrmann, Israel
israelitischen Jahrbüchern und wissen-
schaftlichen Zeitschriften. Nach zwei-
monatlicher schmerzvoller Krankheit ent-
schlief er mit Bibelversen auf den Lippen
im Alter von 73 Jahren. Als Mensch
ein We iser, anspruchslos und bescheiden,
als Hebraist wenige seines Gleichen
zählend, als Rel igionsphi losoph
der Maimonides»Mendelssohn'»
schen Schule angehörend, die weder
starrer Negation, noch blindem Glauben
oder gar modernem Pietismus das Wort
gibt, suchte er Glauben und Wissen in
seliger Harmonie zu vereinigen und war
als Schriftsteller im Ganzen nicht eben
sehr fruchtbar, aber gediegen.
Neuzeit (israelitische Zeitschrift. 4".) 1«<;8,
Nachruf von Ale:-. H och mu t h.
WahrillüNN, Israel (Oberradbi-
ner in Pesth, geb. zu Altofen l733,
gest. in Pesth 24. Juni 1826). Ein
Sohn wohlbenuttelrer Eltern, erhielt er
im Hause eine gute Erziehung, kam
dann, 13 Jahre alt, unter Leitung des
gelehrten Rabbiners zu Gisenstadt Lasar
Kalter, hörte 4769 zu Preßburg die
Vorträge des scharfsinnigen Rabbi Mair
Barbe, sehte nach einigen Jahren zu
Prag unter Sorach Eidlitz das talmu>
dische Studium fort und machte sich zum
ersten Male mit der neuhebräischen Lite»
ratur vertraut, indem er die Vorlesungen
des in diesem Fache berühmten Abigdor
Gloge besuchte. Nach vierjährigem Auf-
enthalt in Prag kehrte er 178l heim,,
verheiratete sich mit der Tochter eines
reichen Zempliner Kaufmannes und wid-
mete sich auf Wunsch seines Schwieger-
vaters den Vorbereitungen für ein Rab-
binat, zu welchem Ende er ein volles
Jahr unter Leitung des nachmaligen
Rabbiners zu Posen Rabbi S. Pser»
vorsky sich in Entscheidung religiöser Fragen übte. Nach erlangter Approbation
wurde er zunächst Rabbiner der kleinen
Gemeinde Keresztur, 4796 aber kam er
nach Pesth, wo sich ihm schon ein un-
gleich weiterer Gesichtskreis eröffnete.
Sein Hauptaugenmerk richtete er nun
auf die Schule, worüber er sich mit
dem Consistorialsecretär zu Cassel David
Frankel berieth. Er that Alles, um
die Gemeinde für die Interessen einer
öffentlichen Schule anzueifern, deren Er»
richtung er nach dem Muster von Amster-
dam plante. Allmälig gelang es ihm, die
bigotten Widersacher mit der Idee einer
Schule zu versöhnen, und am 8. Sep-
tember 1814 sah er durch Eröffnung
einer solchen in seiner Anwesenheit das
Ziel seiner Wünsche gekrönt. Nun über-
wachte er sorgfältig selbst den Unterricht
und eiferte durch Austheilung von
Silbermünzen die Schüler zu flHigem
Besuche an. Dann erwirkte er 182!5 ein
Hofkanzleidecret, welchem zufolge der
Religionsunterricht für die israelitischen
Gymnasialschüler Ungarns o b l i g a t
wurde. Nun war dieser Sieg ein um so
größerer, als der Provincial des Pia-
ristencollegiums und die Statthalterei
selbst, in einer solchen Anordnung eine
Schädigung des Ansehens der christlichen
Religion besorgend, dagegen waren.
Auch veranlaßte man auf W ah rmann's
Ansuchen die jüdischen Studirenden
sämmtlicher Facultaren, jeden Sabbat
den Tempel zu besuchen, wo ihnen um
1 l Uhr Vormittags in Gegenwart des
Rabbi ein besonderer Gottesdienst ge-
halten wurde. Ein Zeugniß für den
humanen Sinn unseres Rabbiners finden
wir in dem von ihm angeregten und ge-
gründeten „Unterstützungsuerein für die
verschämten jüdischen Armen der Stadt",
welcker segensvoll zur Stunde noch be<
steht. Nackdem Wahr mann 28 Jahre
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Vrčevic-Wallner, Volume 52
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Vrčevic-Wallner
- Volume
- 52
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1885
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 342
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon