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Marrens 96 Marrens
gekommen sein, da er ihnen ein ansehn«
liches Vermögen hinterließ. Nun noch
über seine Begabung als Schriftstel-
le r, die in der That keine gewöhnliche
war. Er verfügte in Schrift und Rede
über eine große Darstellungskunst. Sein
Styl war glänzend, bei allem Reichthum
an Bildern überaus anschaulich, mit dem
Anscheine der nüchternsten Bonhomie
wirklich geistvoll, unter dem Deckmantel
einer unerschütterlichen Sicherheit eine
bestrickende Sophistik verbergend. Als der
„Oesterreichische Iloyd" oder wie er kurz»
weg hieß, der „Lloyd" zu erscheinen
begann, brachte er in der Regel zwei,
auch drei Leitartikel an der Spitze; jene,
die Warrens selbst geschrieben, waren
auf den ersten Blick zu erkennen, ohne
daß sein Name oder seine Chiffre darun«
ter stand, was bei diesem Blatte über-
haupt nicht üblich war. An selbständig
erschienenen Flugschriften aus seiner
Feder sind uns nur folgende bekannt:
„Die orientalische Frage" 2. Aufl. (Wien
t834, Hügel) — „DasNationalanlehen"
(ebd. 183,)) — „Ueber Deck's Rede"
2. Aufl. (Wien 1861, typ. lit. art. An-
stalt), doch möchten wir kaum fehlgehen,
wenn wir ihn hinter mancher anonym
erschienenen Flugschrift jener Jahre als
Verfasser vermuthen. Als Redner kam!
ihm eine überaus milde Sprachweise zu '
Hilfe, die selbst die energischesten Vemer- >
kungen des Stachels beraubte, und seine!
in amerikanischen Verhältnissen erworbene ^
parlamentarische Gewandtheit gab ihm in
den Generalversammlungen, wo er meist
redeunkundigen Gegnern gegenüber«
stand, eine Ueberlegenheit, welche er bis-
weilen mit cynischer Grausamkeit fühlen
ließ. Wenn er nun trotz der vielfachen
und berechtigten Gegnerschaft, die ihm
von allen Seiten auftauchte, doch in
jenen Kreisen, in denen er gekannt war. zu den wirklich gern gesehenen Person-
lichkeiten zählte und trotz der vielen Treu»
losigkeiten, deren er sich schuld'g machte,
sich doch in der guten Gesellschaft behaup.
tete. so mochte er dies zumeist seiner
liebenswürdigen Methode im Umgänge
verdanken. Seine Redeweise übte einen
großen Zauber auf die Zuhörer, die er
durch Scharfsinn, gute Einfälle und
Duldsamkeit zu fesseln und oft zu bestri-
cken wußte. Er war kein Charakter, und
das ist zu beklagen, da er alle Anlagen
hatte, ein großer Charakter zu sein, aber
er war ein bedeutender Mensch, und
wohl nur die zerfahrene Zeit, in welche
seine ganze Thätigkeit fällt, mag viel an
seiner Inkonsequenz schuld sein. Er war
mit Zang und Schwarzer der Vater
der nachmärzlichen Publicistik in Oester-
reich, und erst später gesellte sich als
viertes Blatt ;u diesem Kleeblatt Fried»
länder' alle vier repräsentiren ebenso
die eminenten Vorzüge wie die Schatten»
feiten dec Publicistik. Noch sei kurzweg
einer recht komischen Episode in seinem
Leben, seines Duells mit Land stein er,
gedacht, das in die erste Hälfte der Fünf»
ziger-Icchre fällt. Während Warrens
sich vollkommen correct benahm, war das
Verhalten seines Gegners und der SecuN'
danten desselben ein so urkomisches, daß
es ein köstlicher Stoff für die „Fliegenden
Blätter", oder wenn sie damals bestanden
hätten, für die Wiener Witzblatter „Floh"
und /Bombe" gewesen wäre. Warrens
hatte sich ein eigenes Landhaus in
Payerbach erbaut, an einem der reizendsten
Punkte, die man sich denken kann. Die
Villa war fertig^ und, seltsames Verhäng-
niß, bevor er sie beziehen konnte, starb er.
Anstatt in ihr, fand er im Grabe die
Ruhe, die er vielleicht im Landhause
gesucht. Die Villa aber hatte zwei merk'
würdige Bc wohner, der eine war der
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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Wallnöfer-Weigelsperg, Volume 53
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Wallnöfer-Weigelsperg
- Volume
- 53
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1886
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 332
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon