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iß) Johann Bapt. iß^ Johann Bapt.
Fichte, Schell ing, Hegel folgten
aufeinander, und in des Letzteren Phäno-
menologie des Geistes fand er das Um
und Auf seiner philosophischen Genüsse.
Aber die Frage der Berufswahl trat
endlich an ihn heran, und je mehr er im
Labyrinthe des Wissens Umschau hielt,
um so schwieriger wurde ihm die Lösung.
Zunächst wollte er noch Medicin und
Rechtswissenschaft stndiren, insbesondere
lockte ihn der Beruf des Arztes und
Naturforschers, und dann nahm er eine
Reise nach Brasilien in Aussicht, welches
Land gerade damals auf der Tagesord»
nung stand. Die Mutter wieder — nach
Sitte aller ländlichen Mütter — wünschte
nichts sehnlicher, als daß ihr Sohn
Priester werde. Dieser letztere Wunsch
gab vorderhand den Aus schlag in der
Wahl. Zu jener Zeit wurde in Freiburg
Theologie als höchste Philosophie, aber
in positiver Form gelehrt. So ging er
denn dahin. Vor Allen Zog ihn Stau-
denmai er an, einer der gründlichsten
Kenner der neueren philosophischen Lite«
ratur, dann hörte er theologische Colle-
gien und das Arabische, bei Hug die
Vorträge zur Einleitung in das alte und
neue Testament, bei Hirsch er Moral;
so gingen ihm die Jahre unter eindring»
lichen und fesselnden Studien dahin.
Jetzt stand der Eintritt ins Priester-
seminar bevor, aber noch hielt er sich
nicht für reif genug, um in das praktische
Leben zu treten; er fand noch manche
Lücke in seinem Wissen, die es auszu-
füllen galt. So ging er denn für ein
Semester nach Tübingen, wo er bei
Kühn Dogmatik, bei Hefele neuere
Kirchengeschichte, bei dem jüngeren
Fichte Ethik, bei Vischer Aesthetik,
bei Tafel Philologie hörte und noch
Ewald's Vorlesungen über die Genesis
besuchte. Für das Sommersemester wählte ^ er Heidelberg, um Schlosser zu hören,
und dann ging er nach München, um
Kunstgeschichte zu studiren. Daselbst be-
legte er Collegien bei Thier sch für
Philologie und Aesthetik, und die Wall-
fahrten in die Pinakothek und Glypto-
thek mit seinem Meister, welcher dort
Vortrage über Statuen und Gemälde
hielt, eröffneten ihm die Welt des Schönen
in ungeahnter Weise, dabei wurde über
die Kunst d?r Alten Winckelmann
studirt, bei Hanneberg aber ein Pri-
vatissimum über Talmud genommen.
Nun ließ sich die Frage über die Berufs'
! wähl nicht länger zurückdrängen; denn
sein Vorhaben, vorher noch die Univer-
sität in Berlin zu besuchen, erfuhr eine
! negative Erledigung, da derjenige, der
ihm die Mittel zur Ausführung dieses
Planes geben sollte, plötzlich dahinstarb.
Ein Antrag, das Lehramt der französi«
schen und englischen Spraye an der
Nealschule in Freiburg zu übernehmen, wo
er mit gutem Gehalt ^ 8 Stunden wöchent-
lich zu lehren hatte, half ihm über die
i Entscheidung hinweg. Er nahm an. Wir
i waren etwas ausführlicher in der Dar»
stellung seines Bildungsganges, weil wir
darin den Schlüssel finden für seine spä«
tere Entwickelung zum Historiker, d<^-
alle seine Studien über classisches Alter»
thum, über den Orient, über Theologie
und Philosophie, über Kunst und neue
Literatur als die auseinander gehenden
Strahlen einer Sonne in der Geschichte so«
zusagen in einem Brennpunkt zusammen»
liefen. I n seiner Stellung fand Weiß
Zeit, sich auf das Examen der Philologie _
vorzubereiten, das er im Spätherbste
1843 aus dem ganzen Gebiete der clas»
sischen Philologie in Karlsruhe mit glän-
zendem Erfolge ablegte. Dann unterzog
er sich noch den Prüfungen aus dem
hebräischen Testamente, aus der französi«
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Weil-Weninger, Volume 54
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Weil-Weninger
- Volume
- 54
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1886
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 346
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon