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Merner, Zacharias j
die Farbe wechselte, mag aus einer geisti«
gen Unruhe abzuleiten sein, die in
ererbten Anlagen wurzelte. Der allge-
meinste Ausdruck, den er für sein Ziel
brauchte, war E r w ä r m u n g der
Menschheit, vermittels einer von ihm
willkürlich gesetzten Dreieinigkeit von
Kunst, Rel igion und Liebe, und
die Wege, auf denen er es anfänglich zu
erreichen hoffte, waren Poesie und Mau>
rerei; nächstdem eine freie gesellige Ver«
bindung edler Freunde zu diesem höchsten
Zwecke. Als er aber gewahr wurde, wie
wenig selbst ein mit hohem Beifall auf-
genommenes dichterisches Werk, wie ,Die
Söhne des Thales", das er seinen Freun-
den zuerst in der Handschrift mittheilte,
eine Umschaffung der Ansichten, auch nur
dieser in seinem Sinne, hervorzubringen
vermochte, vorzüglich aber überall an»
stieß an den Hauptwall, den der Pro»
teftantismus aufgeworfen gegM den
Sturmlauf der Religionsschwarmerei, in
dem freien Vernunftgebrauch, schalt er
diesen seinen angeborenen Glauben
einen in seinen Grundsätzen zwar ehr-
würdigen, aber dem Menschengeschlechte
nicht angemessenen Drang eines durch
keine Phantasie begrenzten Criticismus,
der nur durch einen mittels der Maurerei
geläuterten Katholicismus, durch eine
neue Religion, durch Apostel im moder-
nen Geschmack und Proselyten über-
wunden werden könne. Aber auch die
Maurerei ließ ihn im Stiche, und nun
warf er sich, ein Jahrzehnt spater,'nach»
dem er sich seinem Freunde gegenüber
brieflich ausgesprochen und wie es scheint,
der Idee entsagend, den Katholicismus
zu läutern, gläubig in die Arme der auf
dem ewigen Felsen begründeten Kirche,
es als ein unverdientes hohes Glück be»
trachtend, in dieselbe aufgenommen zu
werden. Bei diesem Glaubenswechsel
v. Wurzbach, biogr. Lerikon. QV. IMdr. 8 1 Werner. Zacharias
war von einem persönlichen Vortheil
nicht die Rede, er wechselte die Religion
nicht, wie es etwa Juden zu thun pfte-
gen, welche Protestanten oder Katholiken
oder confessionslos werden, aber immer
Juden bleiben, jedoch bei ihrem <5onfes»
sionswechsel eine praktische Absicht ver«
folgen; davon war bei Werner nicht
die Rede; er wechselte den Glauben,
weil er in dem neuen ethisch das zu
finden hoffte, was ihm der verlassene
nicht gewählte; er wurde .Katholik aus
Ueberzeugung und um diese Ueberzeu»
gung Anderen beizubringen, Prediger aus
innerstem Dränge seiner Seele. Wie er
als Poet durch seine Dramen, die ihm,
wie er selbst gesteht, nur als Vehikel
dienten, seine religiösen Anschauungen ins
Volk zu werfen, als Maurer in der
unwandelbaren Eigenschaft des fleißigsten
Logenredners, als Freund endlich durch
einen mit seinen Freunden unterhaltenen
lebhaften, aber immer auf sein Ziel los>
steuernden Briefwechsel zu wirken strebte,
so trat er durch eine innere Nöthigung,
ohne von außen dazu eine Aufforderung
zu erhalten, nach seinem Uebectritt zum
Katholicismus sofort als Prediger auf,
um von der Kanzel herab seinem Sehnen
Luft zu machen und es offen abzu-
sprechen, welch ein Heil ihm widerfahren,
und die Gemüther seiner Zuhörer für
das Reich zu gewinnen, das nicht hier,
sondern im Jenseits zu suchen. Werner
als Prediger ist verschiedentlich beurtheilt
worden. Es fehlt nicht an Pamphleten,
die aus Werner eine Caricatur mach»
ten. Gewiß aber ist es, daß er trotz seiner
inneren Gläubigkeit, trotz seiner Begeiste-
rung für eine heilige Sache, doch sich
öfter zu weit hinreißen ließ nnd dadurch
seinen Gegnern die Ruthe in die Hand
drückte, womit sie ihn schlugen. Provo>
cirte er vielleicht mit Absicht diese
. März 1887.) ll
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Weninger-Wied, Volume 55
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Weninger-Wied
- Volume
- 55
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1887
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 340
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon