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Werner. Zacharias 90 Werner^ Zacharias
und Trostreicheres als das GleichniĂź vom
verlorenen Sohne. — Was ist das ganze
Menschenleben wohl anders, als ein Sp ie l
der ewigen Liebe? — Die Ehre ist oft mehr
als das Leben, weil Gott selbst, der edel
und groß, die Ehre, die wahre Ehre ist. —
Die bereuete SĂĽnde ist das beste Opfer, das
wir Gott bringen können. — Alle Philo«
sophie kann nur die Räume angeben, innerhalb
welcher das mc.ischlichc Denken gleichsam
cinlogirt ist. Die gcsammte Weltweisheit
vermag nur di? Grrn;en festzusetzen, ĂĽber
welche das menschliche Denken nicht hinĂĽber
kann. Das wissen die wahrhaft Gebildeten.
— Das Gedichr Salomonis ist ein Gedicht,
dessen Erklärung vielleicht einem anderen
besseren, glĂĽcklicheren Zeitalter als unserem
zerstreuten und verderbten, vorbehalten ist.
— Die erste Thräne des reuigen Sünders,
sie ist auch zugleich ein Blick ins Paradies.
— Das Christenthum ist ein auf alle mensch»
lichen Leiber passender dichter, warmer Kittel,
der. je nachdem man ihn trägt, zum herr-
lichsten Purpurmantel werden kann. — Poesie
ist der Versuch, dasjenige, was die philoso-
phische Prosa nicht zu aeben vermag, durch
ein Bild in das GemĂĽth des Menschen zu
werfen. Durch Poesie sind schon Tausende
bekehrt worden. — Der Ochse liegt vor dem
Lukas, wie Hermeneutik liegt vor der
Offenbarung. — Wie kann man am besten
das Wort Wehmuth erklären? Wehmuch ist
Muth im Wehe. im Schmerz. — Das
Christenthum ĂĽdcr die Theologie begreift in
sich: l . das Heldenthum. 2. die Physik,
3. die Geschichte. 4. die Philosophie und
5. die Poesie. — Die tiefsten religiösen An«
sichten in späteren Jahren sind oft nur Re>
fultate dcr ersten mütterlichen Erziehung. —
Golgatha, das ist das wahre Lilienfeld, wo
die Lilie Gottes. Jesus Christus, ewig« Blü»
tcn getragen hat. — Der Mensch ist eine
Blume des ewigen Lebrns. — Der Papst
ist der Stelloertretkr nicht des dreieinigen
Gottes, sondern ist der Stellvertreter des
Gottmenschen Jesus Christus hier auf Erden.
— Es gibt eine dreifache geistige Anschauung
Gottes: i. die Anstauung des kindlichen
Glaubens, 2. der schmerzvollen Hoffnung
und 3. der siegenden Liebe. — Der Körper
des Menschen ist das Meisterwerk alles Sicht«
baren, das Meisterstück der Schöpfung. —
Der Glaube ist das Licht, die Vernunft
das Auge. Und so wie das Auge ohne Licht
nicht sehen kann. so kann auch die Vernunft des Menschen nichts erkennen, nichts ahnen
ohne den Glauben.
IX. Werner's Mutter. Auf den Poeten ĂĽbte
unbedingt seine Mutter großen und nachhal»
tigen — ja wir geben es gern zu — geradezu
unheimlichen EinfluĂź. Er scheint von ihr die
Anlage zu allem UngestĂĽm, allrr Kraft, all'
den Gegensätzen, die sich in seinem Lebens»
laufe kundgeben, aller ungelösten Verwir-
rung, die sich in den Werken dieses groĂźen
Geistes ausspricht, empfangen zu haben.
Nach dem Tode seines Vaters blieb er bis zu
seinem 22. Jahre unter der Obhut seiner
Mutter. Diese war die Nichte eines nicht
unbegabten Poeten, Valentin Pietsch (geb.
1690. gest. 1733). eines geborenen Königs«
bergerS. der zwar seine Muse in hohen
Namenstags» und Festgesängen verzettelte,
aber ein unleugbares poetisches Talent besaĂź,
wie es seine von I . G. Bock <?40 heraus«
gegebenen „Gebundenen Schriften" an vielen
Stellen bezeugen. Werner selbst nannte
seine Mutter, der er ĂĽbrigens manchen
Kummer und manche schwere Sorge bereitet
haben mag. eine reine heilige Kunstseele und
Martyrin; Hippel. der Dichter der „Lebens,
läufe in aufsteigender Linie", sagte von ihr,
daĂź sie jeden Gegenstand mit Aolerblicken
durchschaute, und auch Hoffmann, der
Verfasser dcr „Serapionsbrüder", gibt ihr
das Zeugniß, daß sie mit Geist und Phan«
tasie hochbegabt gewesen. DaĂź ihr ĂĽbrigens
der Sohn manchen und wohl schweren
Kummer bereitete, ersehen wir aus seinen
eigenen Bekenntnissen, So schreibt er !t!04,
bald nach dem Tode der Mutter, an seinen
Freund: „Wie schwer liegen meine jugend»
lichen Vergehungen auf mir'. Wie viel gäbe
ich darum, sie noch eine Woche zu erwecken
und mein gepreßtes Herz in Reuethränen zu
entladen. Mein geliebter Freund! mache
Deinen Eltern keinen Kummer! Ach, keine
irdische Stimme weckt die Todten mehr.
Gott und El tern, das ist das Evste,
alles Andere ist weniger!" In ihrem besten
Alter verfiel aber Werner's Mutter in eine
schwärmerische Gemüthskrankheit, von der sie
nie genas, und in der sick der Wahn in ihr
ciusbildete, sie sei die Jungfrau Maria und
ihr Sohn der Heiland der Wrlt. Diese Ge«
mĂĽthsart, diese geistige Verwirrung der
Mutter blieb sicher auf den Sohn nicht ohne
Einfluß, wenn sich derselbe auch nicht vlö
zum Irrsinn zuspitzte. In dem philosophisch
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Weninger-Wied, Volume 55
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Weninger-Wied
- Volume
- 55
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1887
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 340
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon