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Messenberg-Alnpritlgen Messenberg-Ampringen
reich nicht minder gedemüthigt als
Preußen, wenn es auch gerade kein Jena
erlebt hatte. Er erbat sich Urlaub und
verließ im Juli 1810 Berlin. Im Früh-
jähr 1811 trat er als Stadion's Naä>
folger den Gesandtschaftsposten in Müw
chen an, und waren es seine Klugheit
und sein ssroimuth, die den ersten Grund
zur Versöhnung beider Höfe legten.
Nach den Unfällen des französischen
Heeres in Rußland richteten sich die
Augen der österreichischen Patrioten
nächst Stadion auf Wessenberg, der
Grund genug hatte, die Satrapenwirth»
fchaft deä corsischen Despoten zu hassen',
bewahrte ihn ja doch nur die äußerste
Klugheit und Freundschaft des französi»
schen Gesandten in Berlin, des Grafcn
S a i n t M a, r s a n , der zu gleicher
Zeit mit ihm in Berlin weilte, vor der
empfindlichsten Compromittirung, viel»
leicht vor einem Wetterstrahl, wie ihn
N a p o l e o n seinerzeit aus Madrid
gegen den nomiu6 Stein geschleudert
hatte. I n München nun befand sich
Freiherr Wessenberg auf dankbarerem
Boden, da er dadurch, daß er die Bezie^
hungen der beiden Regentenhäuser zu
einander wohlwollender gestaltete, selbst
eine ptil-ZOna ^i-^ta wurde. In Mün-
chen blieb er bis Anfang Februar 1813,
worauf er eine Mission nach London er-
hielt, um England zur thatigen Theil-
nähme wider den Eorsen zu bewegen,
was ihm auch gelang. Als er dann 1814
vom Grafen Meerveldt auf seinem
londoner Posten abgelöst wurde, begab
er sich ins Hauptquartier der Allnrten
— hatte aber in der Zwischenzeit eine
kurze Haft in Napoleons Haupt-
quartier zu bestehen, der ihn dann durch
einen Obersten vom Generalstabe und
durch einen Trompeter zu den österreichi»
schen Vorposten geleiten ließ. Und so war Wessenberg der letzte Diplomat
des Auslandes, welcher mit dem „Manne
des Jahrhunderts" in persönliche Beruh,
rung kam. Beim Pariser Friedensschlüsse
half er mit und wirkte ebenso bei dem
Wiener Congrefse 48 l., in hervorragen-
der Weise. Als Oesterreichs Repräsentant
im deutschen Ausschuß bekämpfte er den
Vorschlag, Deutschland in Kreise einzu»
theilen, dagegen wollte er einen Bund,
der stark sein und zugleich die Selbst,
ständigkeit der Einzelstaaten nicht gefähr-
den sollte. Sein Entwurf einer Bundes»
Verfassung diente als Grundlage der
Bundesacte. Ihm hauptsächlich war es
auch mit zu verdanken, daß das Veltlin
an Oesterreich kam und Mar ia Luise
das Herzogthum Parma zu lebenslang-
lichem Besitz erhielt. Er half die territo-
rialen und staatlichen Verhältnisse des
lombardisch"venetianischen Königreiches
feststellen und organisiren und arbeitete
für seinen Kaiser auch einen Bericht über
die Kunstschätze Oberitaliens aus. In»
dessen war er noch immer am bayrischen
Hofe beglaubigt und vertrat nach dem
Wiener Congrefse die Kaiserstadt in
Frankfurt bei den Verhandlungen, welche
die Territorialverhältnisse vollends regel-
ten und mit dem Generalreceß vom
20. Juni 1819 endeten. Nun zog sich
Wessenberg aus „Gesundheits-
rücksichten" in die Stille des Privat-
lebens zurück. Die „Gesundheitsrücksich-
ten" waren aber nichts weiter als eine
stillschweigende Demonstration gegen den
Gang, welchen seit 1816 die deutschen
Angelegenheiten mehr und mehr genom«
men hatten. Wie jeder bedeutende
Mensch, der über das Commißmaß der
Gewöhnlichkeit reicht und noch dazu ein
ehrlicher Kerl ist, was freilich sich gar
selten beisammen findet, hatte auch Wes«
senberg seine Gezuier, und dies umso»
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Weninger-Wied, Volume 55
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Weninger-Wied
- Volume
- 55
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1887
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 340
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon