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Mieser, Johann er, Iuhnnn
Criminalgefängniß, allein sie blieben dort
nicht lange und trieben nach wenigen
Wochen ihr altes Handwerk fort. All«
gemein wurde erzählt: die Kreis- und
Criminalbeamten ließen sich Colonial»
waaren, Zucker und Kaffee durch die
Verhafteten über die sächsische Grenze
schmuggeln. Die Bande zeigte sich immer
kühner und übermüthiger. Sie war mili-
tarisch organisirt, ihr Chef hieß General'
sie hatte ihre Stabsofficiere, Hauptleute,
Lieutenants, hielt Disciplin, und Jeder,
der ihre Gesetze übertrat, ward ohne
Nachsicht bestraft. Indessen nahmen die
Greuel zu, Hirten, Dienstleute wurden
ermordet, selbst die Geistlichkeit fand
keine Schonung, und der unglückliche
Pftkrrer von Lubenz, des Nachts in seinem
mitten im Orte gelegenen Pfarrhof über-
fallen, endete im Beisein seines weib»
lichen Gesindes unter furchtbaren Mar»
tern durch Mord. Der nächste Geistliche,
den ein ahnliches Schicksal erreichte, war
der Pfarrer von Dekau, der, mit glühen-
den Eisen gebrannt, mit eisernen Zangen
gezwickt, zu Tode gepeinigt wurde. Und
dies Alles, während Schrecken in der
ganzen Gegend herrschte, ließen die
Staatsbehörden geschehen. Endlich, als
auch aus diesem Anlasse eigens geschaf-
fene Behörden und Gerichte sich als
machtlos erwiesen hatten, kam Hilfe
von unerwarteter Seite. Im Städtchen
Rudig tag der oberwähnte Oberlieute-
nant Johann Wieser von Klenau-
Chevaurlegerä in Garnison. Der ging
aus eigener Machtvollkommenheit daran,
diesem Schrecken ohne Ende ein Ende
mit Schrecken zu bereiten. (Kr befahl
seinen Leuten, in der ganzen Gegend
umherzustreifen und alles verdächtige
Gesindel einzufangen. Seine Vorgesetzten
ließen es nicht nur geschehen, sondern
unterstützten das ungesetzliche Verfahren, sobald sie die im Ganzen heilsamen
Folgen desselben wahrnahmen. Nun
hielt Oberlieutenant Wieser auf dem
Platze zu Rudig auf offener Straße blu-
tiges Gericht, welchem er selbst prasidirte.
Die Verhafteten, Männer und Weiber,
wurden nackt ausgezogen, und*Ieder, auf
dem der geringste Verdacht haftete, bekam
von sechs Mann, drei auf jeder Seite,
Stockstreiche, bis er gestand. Man be»
rechnete, berichtet unsere Quelle, die
! Schläge öfters auf Tausende. Drei der
! berüchtigtsten Gauner, darunter die be-
! kannten Räuber Grün und Engel,
! fanden dabei ihren Tod. Doch verfielen
mitunter Unschuldige der barbarischen
! Strafe. Der Wirth von Wiedhostitz er-
hielt 304 Schlage, bloß weil er aus
Furcht sich hatte verleiten lassen, diä
Rauberbande während einer Nacht in
seinem Wirthshause aufzunehmen. Ein
armer Bursche wollte durchaus nichts
gestehen, kein Wort war aus ihm heraus»
! zubringen. Er wurde fortgeprügelt, bis
! er maustodt dalag; erst nach der Hand
! erfuhr man, der Unglückliche sei taub-
, stumm gewesen! Das Gerücht verbreitete
sich, der Vorsteher des Schreckenstribu»
nals, Oberlieutenant Wieser, stehe in
unmittelbarer Verbindung mit dem
Wiener Hofe, erhalte beinahe taglich
einen Courier aus der kaiserlichen Resi>
denz. Begreiflicherweise erschien dieser
unerhörte Vorgang den Leuten höchst
räthselhaft. Wieser aber war schlau
genug, die sich immer mehr verbreitende
Meinung, als sei er von höherem Orte
zu dieser Handlungsweise autorisirt, auf-
recht zu erhalten und das Volk darin zu
bestärken. Endlich wurde auch der „Ge-
neral" der Bande, der reiche Wirth von
Lubenz, von den Soldaten gefangen,
mußte aber, nachdem er indeß wohl
einige hundert Stockprügel bekommen
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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Wiedemann-Windisch, Volume 56
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Wiedemann-Windisch
- Volume
- 56
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1888
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 340
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon