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Mildauer, Mathilde 134 Mathilde
letzteren trat immer mehr und mehr, in
den Vordergrund. Sie sang anfangs die
feinen Soubretten, Susanne in „Fi>
garo's Hoä^eit", Zerline in „Don
Juan". Zigaretta (für sie geschrieben)
in Flotow's .,Indra". Bald aber
machte sie sich entschieden auch das dra»
matische Fach, das der Primadonna,
eigen. Sie glänzte in der Titelrolle von
Balfü's „Zigeunerin", in der für sie ge»
schriebenen Rolle der Paquita in De s-
sauer's gleichnamiger Oper, als Linda
in Donizetti 's „Linda von Chamou»
nix", und diese Oper erlangte eben durch
die Darstellung der Wildauer in der
Titelrolle eine Volksthümlichkeit, welche
sie unter anderen Umständen kaum erlangt
haben würde. Am höchsten aber steigerte
die Künstlerin ihr Können, als sie die
Hauptrolle in Meyerbeer's „Nord-
ftern" (früher „Vielka"), die Kathä-
rina. sang, welche ihr auf den ausdrück-
lich ausgesvwckenen Wunsch des Compo»
nisten zugetheilr wrrde, der ihr die Par-
titur der Oper mit einer höchst schmeichel-
haften Widmung übersandt hatte. Ihre
Stimme war ein heller, nicht übermäßig
starker, aber voll ausreichender Sopran
von reinstem Wohllaut. Dazu kamen
durch unermüdlichen Fleiß und unge»
wohnliche Ausdauer wenn auch spät,
doch umso rascher erlangte brillante
Technik, ihre glänzende schauspielerische
Begabung, sowie das prangende Aeußere,
zu welchem im frauenhaften Stadium
des weiblicben Lebens sich ihre frühere
jugendliche Anmuth entfaltet hatte, und
welches nun auch auf die Zuschauer den
mächtigen Eindruck nicht verfehlte. Wie
früher sechzehn Jahre im Burgtheater,
so blieb sie nun fünfzehn Jahre in der
Hofoper thätig, und ich entsinne mich
heute nach mehr als dreißig Jahren des
sensationellen Eindrucks, den die Nach» richt, daßdie Wildaue rauch an der Hof«
oper engagirt sei, auf die Habitues des
Burgtheaters hervorbrachte. Wenn sie nun
auch Mitglied des Burgtheaters blieb, so
wußte doch Jeder, daß sie lieber als
Primadonna singen, als sich in das Fach
alternder Coquetten und angehender
Mütter werde einzwängen lassen. Und
so war es auch, sie war als Sckauspie'
lerin gar nicht mehr thatig, aber umso
mehr als Sängerin beschäftigt. Nachdem
sie 3l Jahre, doppelt hingegeben der
Bühne und so in zwei Richtungen mit
schönen Erfolgen gedient, ließ sie stch
4863 pensioniren. Hatte sie auch als fein
fühlende Künstlerin den Augenblick ihres
Abganges von der Bühne ganz richtig
getroffen, Laube konnte sich in die Un>
widerruflichkeit ihres Entschlusses immer
nicht finden: „Jeden Tag", schreibt er,
„kann sie wieder ins Burgtheater ein»
treten und sick herzhaft dazu entschließen."
Aber sie entschloß sich nicht. Sie wollte
keine Haube als Beschließerin in irgend
einem Lust», Sckau- oder Trauerspiel
tragen, nachdem sie so lange mit den
hellen flatternden Bändern der Jugend
Siege gefeiert. Aber nicht allein von der
Bühne, auch von der Gesellschaft zog sie
sich zurück, und in den nun folgenden
Jahren war der Name der einst viel ge-
nannten Künstlerin nahezu verschollen.
Die Hypochondrie, deren Keime bei aller
köstlichen Laune, über die sie gebot, von
Zeit zu Zeit schon in ihren früheren Jahren
durchbrachen, trat, als die Künstlerin
älter wurde, immer stärker hervor. Ein
anfangs kaum beachtetes Leberleiden
nahm in letzter Zeit einen gefährlichen
Charakter an, und so schied sie im Alter
von 58 Jahren aus dem Leben. Im
Gegensatz zu anderen Künstlerinen hat
sie durch Gastspiele zur Ausdehnung
ihres Kunstberufes nichts gethan, daher
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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Wiedemann-Windisch, Volume 56
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Wiedemann-Windisch
- Volume
- 56
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1888
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 340
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon