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Molkenjiein, Oswald Oswald
und zwar von einer Seite über ihn, von
welcher er cs wohl am wenigsten erwarten
durfte. Er hatte gegen die Familie Jäger
wegen Herausgabe des Schlosses Hauenstein,
in dessen Besitz diese wider Fug und Recht
sich gesetzt, einen Proceß eingeleitet und mit
der ihm eigenen Zähigkeit betrieben. Alü ihm
jedoch eine Einladung zum Vergleich zugeschickt
wurde, folgte er derselben. Dies war aber
nur eine von seiner einst angebeteten Sa-
bine angewendete Kriegslist. Denn kaum
halte er sich eingefunden, als er auch über«
fallen und in Ketten gelegt wurde, in denen
er so lange schmachtete, bis er sich den ihm
aufgedrungenen Bedingungen fügte. „Erleich'
tert vom Baargeld. als halber Krüppel",
schreibt sein Biograph, „ward er wieder ent<
lassen". Aber damit hatte sein Ungemach noch
immer kein Ende. Er ge-rieth zugleich mit
seinen Brüdern Michael und Lienhard in
Fehde mit Herzog Friedrich (zubenannt
mit der leeren Tasche). Sie boten dem Her»
zöge offen Troh und blutige Gegenwehr,
und Oswald dichtete auf denselben ein
Spottlied, wie ein ähnliches seit den Tagen
d»ö Nibelungenliedes nicht gehört worden.
Später — Ende 4426 oder Anfangs 1427 —
gerieth er docl, in des Herzogs Gefangen-
schaft, wo cs ihm auf Schloß Wellenberg,
das unter der Obhut des kaiserlichen Pfle«
gers Blasiuü Ritter von Holz stand, „elend
und ignobel" erging, er saß mit beiden Füßen
in Cisen; dann ward er nach Innsbruck ge»
schleppt, mir elendem Gesindel unritlerlich
zusammengesperrt und mußte mit demselben
„das Brod in gleiche Brühe tauchen". Doch
fand er gute Vertheidiger, und Herzog Fried»
rick, der zuletzt selber meinte, „daß ein
solcher Mann nicht auf Bäumen geboren
wird", ließ ihn aus dem Gefängnisse an seinen
Hof „zum Gesänge bitten", wo er ihm 1427
endlich seine Freiheit verkündete. Oswalds
erstes Wort aber, als er die Freiheit erlangt
hatte, war, daß er für einen Ritter um Frei»
beit bat, der schon neunthalb Jahre gefangen
saß, und diese Fürbitte ward ihm auch gc«
währt. „Ein großherziger Zug von Os<
w a l d S Seite", bemerkt sein Biograph
I>r. Ho l land, „der manchen Flecken seines
Charakters vergessen läßt". Nachdem O s'
wa ld , frei geworden, noch manche Fahrt
unternommen, so 1430 gegen Ungarn, in den
Türkenkrieg, darauf in den Hussitenkrieg,
von dort auf den Reichstag zu Nörnberg.
dann sich 1431 bei einem neuerlichen Angriff!
v. Wurzbach, biogr. Lerikon. I.VIII. sGedr. gegen die Hussiten cinaefunden. endlich den
König Sig ismund auf der Krönungsreise
nach Nom begleitet hatte, war er bei seiner
Rückkehr 67 Jahre alt. und nun setzte er sich
zur Ruhe an Seite seiner treuen Marga-
rethe, und als er da saß und die Nichtig«
keit des Lrbens mit allen srinm Freuden
und Leiden, die er vollauf genossen, über.
blickte, wendete sich sein Gemüth der Selbst,
schau zu. er suchte den Geist der Religion
zu erfassen und in den Formen seiner poeti»
schen Kunst auszuprägen. Und in diesen Ge-
dichten welche Johannes Schrott unter
dem Titel „Gedichte Oswald von Wol»
kenß ein'ö. des letzten Minnesängers. Zum
ersten Male in den Versmaßen des Originals
übersetzt, ausgewählt und mit Einleitung und
Anmerkungen versehen" (Stuttgart 1886.
Cotta. XXXI und 214 S.. 80.) herausgegeben
hat. eikennt der Uebersetzer „den Höhepunkt
von O s w a l d s dichterischem Schaffen".
Oswald von Wolkenstein erreichte un»
geachtet emes stürmischen und nichts weniger
als immer behaglichen Lebens das Alter von
78 Jahren. Er hattte sich Zweimal verheiratet,
zuerst mic Anmi Gräsin von hahcnems, dann
mit Margarethe von Zchwangau. Aus beiden
Ehen waren Kinder vorhanden, und sein
gleichnamiger Sohn aus erster Ehe pflanzte
die Rodenegg er Linie fort. Schrott's
Ausgabe der Gedichte deS Wolkensteiners
ist keine vollständige, rr hat sich in derselben
darauf beschränkt, was ihm bei seiner Siel»
lung als Priester der Aufnahme würdig er«
schien. Aber darin hat er es verstanden, uns
den Dichter mit Beibehaltung der demselben
eigenen Kunstart in Strophen und Reimbau
neu mundgerecht zu machen. Die Ausgabe
uon des Wolkensteiners Schwanken.
Bauern-, Tanzliedern u. d. m., in denen sich
eine zum Volksliede überführende Kühnheit
und draüe Keckheit ausspricht, und welche
durch Beigabe der von dem Dichter selbst
erfundenen und in der vorhandenen Handschrift
seiner Dichtungen befindlichen Melodie noch
einen besonderen Werth erhalten würden,
muß einem Anderen vorbehalten bleiben.
Wir schließen vorstehende Skizze mit Angabe
der über den Minnesänger vorhandenen Lite»
ratur in welcher kaum etwach was Bedeu»
tungyat, fehlen dürfte. — I. Zur Biographie
und literarischen Charakteristik Oswalds von
Wolkenstein. A l l g e m e i n e Ze i tung
(Augsburg. Cotta. 4") 26. Februar 187!.
Beil. Nr. 37, S. 966 und 20. April N?Z,
10. Mai 1889,1 I
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Wolf-Wurmbrand, Volume 58
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Wolf-Wurmbrand
- Volume
- 58
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1889
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 380
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon