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Mayischek 123 Worzischek
Nun gingen dem Mönche erst die Augen
auf, und er übergab seinen Platz vor der
Orgel sofort dem jungen Künstler, der
auch mit der ganzen Unbefangenheit, die
ihm eigen war, die ihm völlig unbekannte
Messe durchspielte. Als Worzischek
zehn Jahre zählte, gewann der Vater die
Neberzeugung, daß der Sohn daheim
kaum mehr etwas erlernen werde, und
er brachte ihn daher nach Prag in das
Haus seiner Gutsherrschaft Wamberg,
der verwitweten Gräfin Kolowrat«
Ziebfteinsk^, welche den Knaben in
großmüthiger Weise aufnahm und unter»
stützte. Doch sollte derselbe diese Wohl-
that nicht lange genießen, denn schon in
zwei Jahren ward ihm die edle Wohl«
thäterin durch den Tod entrissen, und er
mußte sich, während er das Gymnasium
und den philosophischen Curs besuchte,
durch Unterricht im Clavier seinen Lebens»
unterhalt verdienen. Eilf Jahre hielt er
sich bereits in Prag auf, ohne daß sein
damals schon bedeutendes Talent irgend
Iemands Aufmerksamkeit erweckt hätte.
Dann lernte er den zu jener Zeit im
Dienste des Grafen Bucquoy stehenden
trefflichen Musiker Wenzel Tomaschek
kennen, der sich bald des talentvollen
Jünglings annahm und ihm unentgelt»
lichen Unterricht im Generalbasse e:>
theilte. Aber auch dieser hielt nicht lange
vor. „Wir kamen leider nur bis zum
SeptimeN'Accorde", äußerts sich Worzi '
schek in späteren Jahren öfter, wenn von
Tomaschek die Rede war. So blieb er
denn auch im Punkte der Komposition
auf sich selbst und auf das Studium der
Werke musicalischer Classiker und der
vorzüglichsten Lehrbücher angewiesen.
Den größten Nutzen zog er bei diesen
Studien aus den Fugen und Präludien
es großen Bach, deren Durchspielen er
immer wieder vornahm, so daß er die' selben später ganz aus dem Gedächtniß
vorzutragen im Stande war. Während
seiner Studienjahre besuchte er in. den
Ferienmonaten die Heimat, und wenn er
auf seinen Ausflügen in eine Kirche kam,
so geschah es nicht selten, daß er dann bei
verschlossenen Kirchenthüren sich ganz in
sein Orgelspiel versenkte. So waren die
Jahre seiner wissenschaftlichen Ausbil»
düng dahingegangen, ohne daß man auf
den gediegenen Clavkerspieler und Orga'
nisten, der er damals bereits war, aufmerk-
sam geworden wäre. Erst als er anläßlich
eines Wohlthätigkeitsconcertes zur Mit-
wirkung eingeladen, eine ganz neue
große Sonate von Dussek (1^ 6 retour
6.6 karis) mit aller Meisterschaft spielte,
erstaunte man nicht nur über das junge,
bisher unbeachtet gebliebene große Ta-
lent, sondern auch das Tonstück fand
solchen Beifall, daß es sozusagen in Mode
kam und in Kürze die ganze Auflage
desselben vergriffen wurde. Noch lebte er
in Prag in ziemlich kümmerlichen Ver-
hältnissen, bis ihm 1813 der Professor
der Statistik, I)r. Ioh. Nep. Zizius,
ein geborener Chrudimer, als derselbe
fein Vaterland besuchte, in Prag kennen
lernte. Zizius, ein ebenso tüchtigerMusik-
kenner als großer Musikfreund, entdeckte
sofort in Worzischek den elementaren
Genius, dem nur Gelegenheit geboten
werden mußte, die gebundenen Schwin»
gen zu losen und zu entfalten, und for>
derte den Künstler auf, nach Wien zu
kommen und dort seine Studien fort'
zusetzen. Worzischek erkannte wohl die
Wahrheit dieses Rathes, und ohne die
Schwierigkeiten zu bedenken, die sich bei
Ausführung desselben ihm entgegen-
stellen würden, begab er sich 1843, da>
mals 22 Jahre alt, nach Wien. War
schon der Kampf ums Dasein in Prag
kein geringer, in Wien verminderte sich
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Wolf-Wurmbrand, Volume 58
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Wolf-Wurmbrand
- Volume
- 58
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1889
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 380
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon