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derselbe um nichts, sondern wurde unter
völlig veränderten Verhältnissen und
ganz fremden Menschen nur noch fühl-
barer. Aber Worzischek verlor nicht
den Muth und arbeitete mit riesigem
Fleiße unentwegt an seiner künstlerischen
Ausbildung. Als ihm dann Gelegenheit
geboten ward, Moscheles, Meyer
beer und Hummel zu hören und sie
persönlich kennen zu lernen, fachte dies
seinen Muth noch mehr an und bestärkte
ihn in seinem Vorhaben, sich ausschließ
lich der Musik zu widmen. Sein Vorbild
aber wurde Hummel, dessen Werke und
Spiel er mit der größten Aufmerksamkeit
studirte, und dem er im letzteren mit so
glücklichem Erfolge nachstrebte, daß dieser
Meister ihn vor allen übrigen in Wien
weilenden Clavierspielem als seinen
Stellvertreter erwählte und ihm, als er
Wien verließ, seine sämmtlichen Clavier-
lectionen übertrug. Nun besserten sich
auch mit einem Schlage Worzischek's
mißliche Verhältnisse, sein Ruf und An»
sehen als Klavierspieler und Musicus
überhaupt wuchsen zusehends, und er
wurde in den besten Kreisen bekannt und
gesucht. Auch war ihm nun Gelegenheit
geboten, in Concerten und musicalischen
Veranstaltungen öffentlich aufzutreten,
was Alles zur Steigerung seines musica-
lischen Rufes wesentlich beitrug. Außer
Moscheles hatte er keinen Neben»
buhler in Wien, und Beide wetteiferten
sozusagen um die Palme des Sieges.
Beide in ihrer Spielweise gänzlich ver»
schieden, konnten, ohne Einer den An»
deren zu beeinträchtigen, sehr gut neben»
einander bestehen. So geschah es auch,
daß Beide öfter an einem Abend und in
einer Gesellschaft spielten, und wenn
Moscheles durch fein feines, höchst
brillantes Spiel unseren Worzischek
übertraf, fo war ihm dann dieser im freien Phantasiren, im Fugenspiele, im
augenblicklichen Schaffen und in wohl-
geordneter Wiedergabe des Geschaffenen
weit überlegen. Durch dieses musicalische
Leben und Treiben waren die juridischen
Studien, welche Worzischek in Wien
bereits begonnen hatte, für mehrere Jahre
in den Hintergrund gedrängt worden.
Nun aber faßte er den Entschluß, sie zu
beendigen, um dann doch in den Staats-
dienst zu treten. Hatte er die Ueber»
zeugung gewonnen, daß er sich im aus-
schließlichen Dienste der Kunst nur zu
rasch aufreiben würde, fühlte er das
ruhige Fortleben in einem sicheren Dienste
für ftinen Körper zuträglicher, waren es
Einflüsse von Seiten ihm befreundeter
Personen, oder waren es andere Mo-
tive? es ist nicht bekannt, was ihn seinem
ehemaligen Entschlüsse, die Musik als
Beruf zu wählen, 'abtrünnig machte.
Kurz, er beendete mitten im erwähnten
musicalischen Leben die rechtswissenschaft»
lichen Studien und legte am 4. Mai
1823, damals bereits 3l Jahre alt, bei
dem k. k. Hofknegsrathe als Concepts,
practicant den (Kid ab. In diesem Ver^
Hältnisse trat er dem bekannten Musik»
gelehrten und Kunstfreunde Hofrath
iesewetter von Wiesenbrunn
näher, der ihm zeit seines Lebens ein liebe»
voller und einflußreicher Gönner blieb
und ihm immer wieder Gelegenheit ver«
schaffte, zum Selbstgefühl seiner Kräfte
zu gelangen. Da Kiesewetter in
seinem Hause häufig Privatconcerte ver>
anstaltete, in welchen besonders „alte
Musik" mit großem Gifer und Verstand,
niß gepflegt wurde, vertrat Worzischek
dabei die Stelle des Capellmeisters.
Fünf bis sechs Jahre, bis an sein Lebens-
ende, war er an diesen Kimstübungett
thätig und gab nicht bloß Proben seines
eminenten Verständnisses alter Meister,
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Wolf-Wurmbrand, Volume 58
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Wolf-Wurmbrand
- Volume
- 58
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1889
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 380
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon