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Müllerstorf-Nrkair 217 Müllerstorf-Nrdllir
und deffen Marine zu studiren und
darüber zu berichten. 1863 wurde er
Hafmadmiral und Arsenalcommandant
von Venedig und ein Jahr später, als
Erzherzog Ferdinand Max sich eben
anschickte, die so unheilvolle Reise nach
Merico zu unternehmen, Commandant
der sämmtlichen ausgerüsteten Schiffe
Seiner Majestät Kriegsmarine, mit dem
Befehle, so schnell als möglich nach der
Nordsee abzugehen. Die heikle Mission
ward überdies erschwert durch den Um»
stand, daß die Mehrzahl der Schiffe noch
zu Pola im primitivsten Zustande lag
und das dortige Arsenal nicht im Stande
war, den Anforderungen einer schleunigen
Ausrüstung zu entsprechen. Mit der Ver-
zögerung der noch auszuführenden Ar-
beiten wuchs die Ungeduld, und endlich
entschloß sich Wüllerstorf, mit dem
Linienschiff „Kaiser" und dem Dampfer
„Elisabeth", die Arbeiter noch an Bord,
m See zu gehen. Die Fahrt nach dem
Norden war noch ungünstiger und un
glücklicher, als man sie in dieser Jahres
zeit voraussetzen mochte. Die Escadre,
welche fortwährend im adriatischen Golf
mit Südstürmen, im Mittelmeer mit
West» und Nordftürmen zu kämpfen hatte,
wurde im atlantischen Ocean neuerdings
von einem heftigen Weststurm übev
rascht, während das Panzerschiff „Juan
d'Austria" dem Untergang nahe war und
das Linienschiff „Kaiser" in die Pulver»
kammer Waffer bekam. Als endlich die
Escadre im Norden anlangte, war die
Seeschlacht von Helgoland durch Te
getthoff's Heldenmuth zum Ruhme
Oesterreichs geschlagen und der Feind
bereits aus der Nordsee verschwunden.
Was unter diesen Verhältnissen zu thun
blieb, vollzog Wüllerstorf redlich. Er
ließ die Westinseln, welche noch vom Ca«
pitän Hammer für Dänemark gehalten wurden, durch die kleinen Fahrzeuge ein»
schließen und nehmen. Nach Beendigung
des Feldzuges kehrte er mit der Escadre
nach Cadix und bald darauf nach Pola
urück. Im October 4863 wurde ihm von
dem damaligmStaatsministerBelcredi
das Portefeuille des Handelsministers
angetragen. Nach mehrfachen Conferenzen
und längerem Ideenaustausch nahm er
den Antrag in der Voraussetzung an, daß
die Verfassung bald wieder hergestellt
werde, und mit dem Vorbehalte, nur als
F ach minister,nicht alspolitischerMinifter
einzutreten. Nun nahmen die abzuschließen-
den Handelsverträge, das Eisenbahn-
wesen, die neue Postordnung, die Grmäßi-
gung des Briefportos und der Fracht»
briefe seine ganze Thätigkeit in Anspruch ;
und so rege und rastlos war dieselbe, daß
die Reformen im Postwesen bereits am
1. Jänner 1866 ins Leben gerufen zu
werden vermochten. Seiner weisen Initia»
tive verdankt Oesterreich die Herab»
setzung des Briefportos von 13 auf 3 kr.
für die ganze Monarchie und alle Staaten
des deutschen Reiches, sowie die Ein-
führung der Postkarten, deren großer
Werth für den allgemeinen Verkehr den»
selben bald auch in allen anderen Staaten
Europas Eingang verschaffte. Mittler«
weile war der Handelsvertrag mit Eng'
land auf die Tagesordnung gesetzt worden,
welcher später in schutzzöllnerischen Kreisen
so vielfach Anlaß zu Angriffen gab. Allein
die Initiative zu diesem Staatsvertrage
war nicht von Wüllerstorf, sondern
vom auswärtigem Amte (unter Mens»
dorff) ausgegangen, und Mül ler '
ftorf hatte ebenso wie Graf Beust die
Basis für denselben bereits vorgefunden.
Gleichzeitig kamen auch Handelsverträge
mit Frankreich, Italien, Holland, Belgien
und der Schweiz zu Stande, welche sich
in ihrer Anwendung günstig und Vortheil
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Wolf-Wurmbrand, Volume 58
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Wolf-Wurmbrand
- Volume
- 58
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1889
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 380
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon