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Die Liebe der Erika Ewald
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heute. Sie kamen in den stillen Ort mit seinem fast ländlichen Sonntagsfrieden, der sie auf ihrem ganzen Spaziergange wie ein milder unfaßbarer Duft begleitete. Manchmal sahen sie sich an und fühlten, wie reich ihr Schweigen war, wie es die ganze selige Empfindung des vollströmenden Frühlings trug und mehrte. Die Felder waren noch niedrig und grün. Aber der segensschwere Duft der warmen spendenden Erde kam zu ihnen wie ein verheißungsvoller Gruß. Ferne lag der Kahlenberg und der Leopoldsberg mit seinem uralten Kirchlein, von dem die Wand steil abfiel bis zur Donau hinab. Und dazwischen viel reiches Land, meist noch braun und unbestellt und voll gewärtiger Saat. Aber dazwischen schon viereckige Flächen mit gelber werdender Frucht, die sich eckig und unvermittelt vom dunklen Erdreich abhoben, wie abgerissene und zerschlissene Fetzen auf dem gebräunten kraftvollen Körper eines arbeitsharten Werkmannes. Und wie ein blauer Bogen darüber ein heiterer Frühlingshimmel gespannt, in den die flinken Schwalben mit zwitscherndem Jubel hineinsegelten. Als sie durch eine alte breite Akazienallee kamen, erzählte er ihr, daß dies Beethovens Lieblingsgang gewesen sei, auf dem er im Spazierengehen viele seiner tiefsten Schöpfungen zuerst empfunden habe. Der Name stimmte sie beide ernst und feierlich. Sie dachten an seine Musik, die ihnen ihr Leben in vielen begnadeten Stunden reicher und inniger gemacht hatte. Alles schien ihnen bedeutender und größer, da sie an ihn dachten: sie empfanden die Majestät der Landschaft, deren fröhliche Heiterkeit sie nur vorher geschaut, und der schwere satte Duft der sonneglühenden fruchtschwellenden Erde gab ihnen das geheimste Symbol des Frühlings. Ihr Weg ging weiter durch die Felder. Erika ließ im Vorübergehen das unreife Korn durch ihre Finger rauschen, aber sie fühlte es gar nicht, wenn ab und zu ein Halm unter ihrer Hand zerknickte. Das Schweigen zwischen ihnen gab ihr seltsame und tiefe Gedanken, in die sie sich träumend verlor. Es waren milde und heimliche Liebesgefühle in ihr erwacht, aber sie dachte nicht an ihn, der ihr zur Seite ging, sondern an alles, das um sie war und lebte, an das Korn, das sich leise im Winde wiegte und an die Menschen, denen es Arbeit und Glück schenkte; sie dachte an die Schwalben, die sich am Himmel hoch verfolgten und an die Stadt, die fern unten in einer grauen Dunstkapuze eingehüllt herüberschaute, sie fühlte wieder die allumfassende Gewalt des Frühlings in sich wie ein Kind, das mit frohen Sprüngen zum ersten Male jubelnd in das mildströmende Sonnenlicht hinausstürmt. Sie gingen lange in den Wiesen und Feldern. Inzwischen neigte sich der Nachmittag seinem Ende zu. Es war noch nicht Abend, aber das scharfe Licht ging allmählich in eine weiche verhauchende Mattigkeit über, die sein Nahen 17
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Die Liebe der Erika Ewald
Titel
Die Liebe der Erika Ewald
Autor
Stefan Zweig
Datum
1904
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
114
Schlagwörter
Literatur, Liebe, Erzählung, Schriftsteller
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Die Liebe der Erika Ewald 5
  2. Der Stern über dem Walde 46
  3. Die Wanderung 56
  4. Die Wunder des Lebens 61
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