Seite - 21 - in Die Liebe der Erika Ewald
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so zusammen verkehren … . es muß ein Ende gemacht werden… «
Er hielt inne. Erika fühlte, daß er noch nicht zu Ende war. Am liebsten wäre
sie vor ihm bettelnd hingesunken und hätte ihn gebeten, jetzt nicht weiter zu
sprechen. – Sie wollte jetzt nichts hören, nichts verstehen. – Nein, sie wollte
nicht… . Und angstvoll begann sie wieder die Wolken zu zählen… . Aber die
waren schon weg… . Nein, dort war noch eine… . Eine, die letzte, rosig
überhaucht wie ein stolzer Schwan, der den dunklen Strom hinabsegelt… .
Wieso fiel ihr das Bild ein? Sie wußte es nicht… . Ihre Gedanken wurden
immer wirrer. Sie fühlte nur, daß sie bloß an die Wolke denken wollte… . Die
zog jetzt fort, ja sie zog fort über den Berg hin… . Sie spürte, wie ihr ganzes
Herz an ihr hing, wie sie sie am liebsten mit ausgestreckten Händen gehalten
hätte, aber sie ging … sie lief, lief schneller, immer schneller… . Und jetzt –
jetzt war sie verschwunden… . Und Erika hörte nun wieder klar und
unabänderlich seine Worte, unter denen ihr Herz in blinder Angst erbebte.
»Ich weiß nicht, ob du mich so ganz kennst. Ich glaube nicht, ich meine
immer, daß du mich überschätzt. Ich bin kein großer Mensch, ich bin keiner
von denen, die … . die über dem Leben stehen in ihrer sicheren
Selbstgenügsamkeit. Ich wollte, ich wäre so, aber ich bin es nicht. Ich klebe
am Leben, ich bin nicht eben viel mehr als einer, der das begehrt, was er liebt.
Ich bin nur so, wie alle Männer sind, ich verehre nicht nur die Frau, wenn ich
sie liebe, ich … . verlange sie auch… .. Und … . mit Fremden will ich dich
nicht betrügen. Ich will nicht, daß du mich verachtest. Du bist mir zu lieb
dazu… «
Erika war blaß geworden. Nun erst verstand sie, was er meinte, und sie
wunderte sich, daß sie nicht früher daran gedacht. Mit einem Male war sie
wieder ruhig geworden. Es war alles gekommen, wie es kommen mußte.
Sie wollte ablehnend sprechen, aber sie vermochte es nicht. Das sanfte
“du” seiner Rede hatte sie eigentümlich überwältigt mit seiner liebevollen
Innigkeit. Sie verspürte wieder, wie sie ihn liebte; das Bewußtsein kam ihr
plötzlich, wie ein vergessenes Wort, das wiederkehrt. Und sie fühlte auch, wie
schwer sie ihn verlieren könnte, wie viel geheime Kräfte sie mit ihm
verbanden. Wie ein Traum war ihr alles… .
Er sprach weiter, und seine Stimme wurde mild wie eine Liebkosung. Sie
fühlte seine Hand in ihren zärtlichen Fingern.
»Ich weiß nicht, ob du mich geliebt hast, ob du mich so geliebt hast, wie
ich dich jetzt. Mit der letzten Hingabe und mit dem grenzenlosen Vergessen
an alle Kleinlichkeiten, mit jener heiligsten Liebe, die nur schenken und
nichts verweigern kann. Und ich glaube nur an die Liebe, die Opfer bringt um
ihrer selbst willen… . Aber nun ist alles zu Ende. Und ich habe dich darum
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Die Liebe der Erika Ewald
- Titel
- Die Liebe der Erika Ewald
- Autor
- Stefan Zweig
- Datum
- 1904
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 114
- Schlagwörter
- Literatur, Liebe, Erzählung, Schriftsteller
- Kategorien
- Weiteres Belletristik