Seite - 27 - in Die Liebe der Erika Ewald
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ungeschickt, und wie sie merkte, daß sie unsicher sei, wurde sie hart und
ungerecht. Man sollte sie nicht immer mit Fragen belästigen, sie kümmere
sich auch um niemanden. Und außerdem habe sie jetzt Kopfschmerzen und
wolle Ruhe haben.
Die Schwester erwiderte nichts, sondern ging aus dem Zimmer. Mit einem
Male fühlte Erika, wie ungerecht sie gewesen war. Und Mitleid empfand sie
mit diesem stillen, schicksalsergebenen Wesen, das nichts erlebte und auch
nicht bat darum, das nichts besaß vom Leben, nicht einmal einen reichen,
adelnden Schmerz, wie sie selbst.
Das brachte sie wieder zu ihren Gedanken zurück. Und die zogen heran
und verloren sich wieder in der Ferne, schwere, schwarzbeschwingte Boote,
die sich durch die dunkle Flut gerungen ohne Lärm und Rauschen, ohne
Färbung und tiefeinschneidende Spur, nur von unbekannten und unsichtbaren
treibenden Gewalten gesendet und gelenkt. Aber ihre trübe Stimmung zitterte
in Erikas Seele fortschwingend dahin und löste sich nach dunkelschweren
Stunden in einer Müdigkeit, der sie sich willenlos ergab.
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Die Liebe der Erika Ewald
- Titel
- Die Liebe der Erika Ewald
- Autor
- Stefan Zweig
- Datum
- 1904
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 114
- Schlagwörter
- Literatur, Liebe, Erzählung, Schriftsteller
- Kategorien
- Weiteres Belletristik