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Die Liebe der Erika Ewald
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Der unerhörte Jubel, der seinem Spiele folgte, erweckte Erika erst wieder aus ihren weltentrückten Träumen. Und in drängender Hast eilte sie dem Ausgange zu, um ihn zu erwarten. Denn nun wußte sie auch die helle und sonnige Antwort auf ihre letzte Frage, die sie beängstigt und sie zurückgehalten, sich ihm zu schenken – nun war es ihr offenbar, daß er sie noch immer liebte und glühender wie einst, mit einer viel schöneren, wilderen und größeren Liebe. Sonst hätte er nicht all diesen Menschen den leuchtenden Hymnus gesungen, den er ihr zur Feier und aus ihrer Liebe geschaffen, dieses herrliche Lied, dessen Macht sie damals überwältigt und besiegt hatte, ohne daß sie es geahnt. Aber heute wollte sie ihm die sorglich gehüteten Früchte ihrer schenkenden Neigung zu Füßen legen, daß er sie selig erhöhe… .. Mit Mühe drängte sie sich bis zum Ausgange durch, wo die Künstler herabzukommen pflegten. Wenige Flammen erhellten das matte Dunkel; dort drängten die Menschen nicht in so wilder Hast, und sie konnte sich ungestört wieder ihren Träumen hingeben, die sich in seliger Sicherheit wiegten. Sie hätte es doch schon lange, so lange wissen können, daß er sie nicht vergessen könnte – dieser Gedanke kehrte immer wieder und einte sich mit fröhlichen Verheißungen für die kommenden Tage. Mit übermütigem Lächeln dachte sie an seine Überraschung, wenn er ahnungslos die Treppen herabkäme und sich plötzlich der Wunsch verwirklichte, von dem er vielleicht eben geträumt. Und wenn… … Aber da kamen wahrhaftig schon Schritte, die immer lauter und näher tönten. Unwillkürlich zog sich Erika mehr ins Dunkel zurück. Lachend und plaudernd stieg er die Treppe hinab – zärtlich hinabgebeugt zu einer Dame in spitzenbesetztem Kleide, einer kleinen, netten Sängerin von der Oper, die irgend eine alte Operettenmelodie trällerte. Erika zuckte zusammen. Da bemerkte er sie. Instinktiv griff er nach dem Hut, aber ließ die Hand auf halbem Wege müßig sinken. Ein böses, beleidigtes und höhnisches Lächeln schien auf seinen Lippen zu lauern, aber er wandte den Kopf zur Seite. Und dann führte er die kleine Dame im Spitzenkleid zu seinem Wagen, half ihr hinein und stieg selbst ein, ohne den Blick noch einmal zurückzuwenden zur Erika Ewald, die dort einsam stand mit ihrer verratenen Liebe. 36
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Die Liebe der Erika Ewald
Titel
Die Liebe der Erika Ewald
Autor
Stefan Zweig
Datum
1904
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
114
Schlagwörter
Literatur, Liebe, Erzählung, Schriftsteller
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Die Liebe der Erika Ewald 5
  2. Der Stern über dem Walde 46
  3. Die Wanderung 56
  4. Die Wunder des Lebens 61
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