Seite - 49 - in Die Liebe der Erika Ewald
Bild der Seite - 49 -
Text der Seite - 49 -
durch einen zerrissenen Schleier sah er auf einmal sein Leben, fühlte, wie
arm, wie kläglich, wie häßlich es jetzt werden mußte. Öde leere Kellnerjahre,
zermartert von törichter Sehnsucht, diese Lächerlichkeit sollte seine Zukunft
sein. Wie ein Schauder kam es über ihn. Und plötzlich liefen alle
Gedankenketten stürmisch und unabwendbar zusammen. Es gab nur eine
Möglichkeit. –
Leise schwankten die Wipfel in einer unmerklichen Brise. Eine finstere
schwarze Nacht stand drohend vor ihm. Da erhob er sich sicher und gelassen
von seiner Bank und schritt über den knirschenden Kies zu dem großen, in
weißem Schweigen schlafenden Hause empor. Bei ihren Fenstern blieb er
stehen. Sie waren blind und ohne ein funkelndes Lichterzeichen, daran sich
träumerische Sehnsucht hätte entzünden können. Nun ging sein Blut in
ruhigen Schlägen, und er schritt wie einer, den nichts mehr verwirrt und
betrügt. In seinem Zimmer warf er sich ohne jede Erregung auf das Bett und
schlief dumpfen traumlosen Schlaf bis zum rufenden Morgenzeichen.
49
zurück zum
Buch Die Liebe der Erika Ewald"
Die Liebe der Erika Ewald
- Titel
- Die Liebe der Erika Ewald
- Autor
- Stefan Zweig
- Datum
- 1904
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 114
- Schlagwörter
- Literatur, Liebe, Erzählung, Schriftsteller
- Kategorien
- Weiteres Belletristik