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Die Liebe der Erika Ewald
Seite - 57 -
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wagte: es könnte zu spät sein, und er würde den Heiland nicht mehr finden. Und manchmal überkam ihn auch die bange Furcht, er könnte den Weg verfehlen. Aber dann gedachte er des innigen Wunders, das er vernommen von drei Königen aus fernem Lande, die ein leuchtender Stern durch das Dunkel geführt. Und da verließ wieder die lästige Schwere seine Seele, und der eilende Wanderschritt hallte sicher und fest auf dem harten Pfade. Einige Stunden eilte er so dahin, dann ward es Morgen. Langsam hob sich der Nebel und zeigte das farbensatte Hügelland mit seinen fernen Bergen und hellen Gehöften, die zur Rast einluden. Er aber hielt nicht inne auf seiner Wanderung, sondern strebte unablässig weiter. Langsam stieg die Sonne höher und höher. Und es ward ein heißer Tag, der sich schwer über das Land legte. Bald wurde sein Schritt langsamer. Lichte Schweißperlen tropften von seinem Körper, und das schwere Feiertagsgewand begann ihn zu drücken. Zuerst legte er es über die Schulter, um es zu bewahren, und ging in ärmlicher Gewandung dahin. Bald aber begann er die Schwere der Last zu fühlen und wußte nicht mehr, was er mit dem Kleide beginnen sollte. Er wollte es nicht weggeben, denn er war arm und hatte kein anderes Feiertagsgewand, so daß er schon daran dachte, es im nächsten Dorfe zu verkaufen oder als Pfand für Geld zu geben. Aber als ein Bettler mühselig des Weges daherkam, dachte er seines fernen Meisters und schenkte das Gewand dem Armen. Eine kurze Zeit ging er wieder rüstiger, doch dann verlangsamte sich von neuem sein Gang. Die Sonne stand schon hoch und heiß, und die Schatten der Bäume fielen nur als schmale Streifen über den staubigen Weg. Sehr selten kam ein schwacher Wind durch die stockende Mittagsschwüle, der aber trieb den breitkörnigen und schweren Staub der Straße mit sich, der sich an den schweißüberströmten Körper klebte. Und er fühlte ihn auch auf den vertrockneten Lippen brennen, die lange nach einem Trunke lechzten. Aber die Gegend war gebirgig und öde, nirgends war ein frischer Quell zu sehen oder ein gastliches Haus. Manchmal kam ihm der Gedanke, er sollte umkehren oder doch wenigstens im Schatten einige Stunden rasten. Aber eine immer wachsende Unruhe trieb ihn weiter mit schwankenden Knieen und lechzenden Lippen seinem Ziele entgegen. Inzwischen war es Mittag geworden. Die Sonne brannte heiß und stechend vom wolkenlosen Himmel herab, und die Straße glühte unter den Sandalen des Wanderers wie flüssiges Erz. Seine Augen waren rot und geschwollen vom Staube, der Gang wurde immer unsicherer, und die ausgetrocknete Zunge vermochte nicht mehr den seltenen Vorüberwandernden den frommen 57
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Die Liebe der Erika Ewald
Titel
Die Liebe der Erika Ewald
Autor
Stefan Zweig
Datum
1904
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
114
Schlagwörter
Literatur, Liebe, Erzählung, Schriftsteller
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Die Liebe der Erika Ewald 5
  2. Der Stern über dem Walde 46
  3. Die Wanderung 56
  4. Die Wunder des Lebens 61
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