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verweinter und trotziger Zorn, den nicht einmal der verlorene
Ausdruck ihrer träumerischen Augen mäßigen konnte, aus denen eine alte und
tiefe Trauer empordämmerte. Kindischer Mutwille und vererbtes vergrabenes
Leid funkelten zusammen in dieser mühsam gebändigten Unrast. Eine Stille
war in ihrem Ruhen, die sich jeden Augenblick in einer jähzornigen
Bewegung lösen konnte, etwas Phantastisches und Abenteuerliches, über das
kein sanftes Träumen hinwegtäuschen konnte; und der Maler fühlte an einem
gewissen gespannten Ausdruck ihrer Züge, daß in diesem Kinde schon eine
jener Frauen zu wirken beginne, die ihre Träume leben und mit ihren
Sehnsüchten verwachsen, deren Seele sich an die Dinge klammert, die sie
lieben, mit allen ihren Fibern und Fasern, und die sterben, wenn sie Gewalt
von ihnen löst. Mehr aber als alle diese Sonderbarkeit und Fremdheit in ihrem
Gesichte erstaunte ihn das Wunderspiel der Natur, das hinter ihrem Haupte im
bespiegelten Fenster die sonnige Glut aufstrahlen ließ wie einen
Heiligenschein, der sich um ihre Locken sammelte und sie funkeln ließ, wie
schwarzen Stahl. Und in diesem Spiel meinte er deutlich die Hand Gottes zu
spüren, die ihm den Weg wies, sein Werk wohlgefällig und würdig zu
vollenden.
Ein Karrenführer stieß derb an den in Schauen versunkenen Maler an, der
verloren inmitten der Straße stand. »Gottes Zorn! Könnt ihr nicht achtgeben
oder hat es Euch alten Kerl die schöne Jüdin da angetan, daß ihr gafft wie ein
Lümmel und den Weg versperrt?«
Der Maler fuhr auf, erschreckt, aber nicht verletzt durch den groben Ton,
den er überhört hatte über der Kunde, die ihm dieser übelgekleidete und
ruppige Genosse brachte. Und ganz erstaunt richtete er das Wort an ihn.
»Das ist eine Jüdin?«
»Ich weiß nicht, aber man sagt es. Jedenfalls ist es nicht der Leute Kind, sie
haben es wo gefunden oder bekommen. Was schert’s mich, meine Neugierde
hat’s nie geplagt und wird’s auch nicht sobald. Fragt den Meister selbst, wenn
ihr’s wissen wollt, der weiß sicherlich besser als ich, wieso er dazu
gekommen ist.«
Der “Meister”, auf den er wies, war ein Wirt, der Besitzer einer jener
dumpfen, verrauchten Schenken, in denen nie ganz das Leben und Lärmen
erstirbt, weil Spieler und Matrosen, Soldaten und Müßiggänger sich dort
einquartieren, um sie nur selten wieder zu verlassen. Breit, mit
aufgequollenem, aber gutmütigem Gesicht stand er in der schmalen Türe, wie
ein einladendes Schild. Ohne viel Besinnen trat der Maler auf ihn zu. Sie
traten ein in die Schenke; der Maler setzte sich in eine Ecke an einen der
beschmierten Holztische, ein wenig unruhig und erregt, und als der Wirt ihm
das geforderte Glas vorsetzte, bat er ihn, einen Augenblick mit ihm den Platz
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Die Liebe der Erika Ewald
- Titel
- Die Liebe der Erika Ewald
- Autor
- Stefan Zweig
- Datum
- 1904
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 114
- Schlagwörter
- Literatur, Liebe, Erzählung, Schriftsteller
- Kategorien
- Weiteres Belletristik