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Die Liebe der Erika Ewald
Seite - 76 -
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das Kind da zu bekehren, schien ich mir immer zu töricht. Ich hab’s nie recht versucht, weil mir so schien, als sei’s bei diesem trotzigen Ding verlorne Liebesmüh. Einmal hat man mir schon die Priester auf den Hals gehetzt und mir die Hölle heiß gemacht; ich habe sie vertröstet, bis das Ding vernünftig werde. Doch damit hat’s wohl noch lange Zeit, obwohl sie heute schon ihre fünfzehn Jahre hinter sich hat, denn sie ist ganz versponnen und trotzig. Wer kennt sich aus mit diesem Judenvolk, es sind so seltsame Menschen; der Alte schien mir gut, und die ist auch kein übles Ding, so schwer man auch an sie herankommt. Und was dann Eure Sache anlangt, die mir nicht übel gefällt, weil ich meine, daß ein ehrlicher Christ nie genug für sein Seelenheil tun kann und jedes Bemühn dereinst gewogen wird … . ich sage Euch offen, ich habe keine rechte Gewalt über das Kind, denn wenn sie einen mit ihren großen schwarzen Augen anschaut, hat man nicht rechten Mut, ihr was zuleide zu tun. Doch Ihr werdet ja sehn. Ich will sie rufen.« Er stand breitspurig auf, schenkte sich noch ein Glas voll, das er stehend hinuntergoß und stapfte dann durch die Schenke, in die eben wieder einige Matrosen eingetreten waren, die einen undurchdringlichen Qualm aus ihren kurzen weißen Tonpfeifen emporstießen. Vertraulich schüttelte er ihnen die Hände, füllte ihre Gläser und scherzte derb mit ihnen. Dann erinnerte er sich seiner Absicht, und der Maler hörte ihn langsam und mit schweren wuchtigen Schritten die Treppe emporstampfen. Ihm war sehr seltsam zumute. Das selige Vertrauen, mit dem ihn diese glückliche Bewegung beschenkt hatte, begann sich zu trüben in dem schwellenden Lichte dieser Schenke. Straßenstaub und dunkler Qualm legte sich über das schimmernde Bild seiner Erinnerung. Und immer und immer wieder die dunkle Angst vor der Sünde, diese feiste und viehische Menschheit, die sich überall mit den Gestalten der irdischen Trägerinnen so erlauchter Gedanken vermengte, emporzutragen zu dem Thron seiner frommen Träume. Ihm schauderte, aus welchen Händen er die Gabe empfangen sollte, zu der ihm geheime und offenbare Wunderzeichen den Weg gewiesen. Der Wirt trat wieder ein in die Stube, und in seinem schweren breiten schwarzen Schatten zeichnete sich die Gestalt des Mädchens ab, das unschlüssig und wie erschreckt von dem gröhlendem Qualm an der Schwelle stehen geblieben war und sich mit den schmalen Händen wie hilfesuchend an den Türpfosten festhielt. Ein derbes Wort des Wirtes, das sie eintreten hieß, scheuchte ihren flüchtigen Schatten eher noch mehr in das Dunkel des Treppenganges zurück, doch schon war der Maler aufgestanden und auf sie zugetreten. Mit seinen beiden alten, derben, aber doch so milden Händen faßte er die ihren und fragte sie leise und vertraulich, indem er ihr voll in die 76
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Die Liebe der Erika Ewald
Titel
Die Liebe der Erika Ewald
Autor
Stefan Zweig
Datum
1904
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
114
Schlagwörter
Literatur, Liebe, Erzählung, Schriftsteller
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Die Liebe der Erika Ewald 5
  2. Der Stern über dem Walde 46
  3. Die Wanderung 56
  4. Die Wunder des Lebens 61
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