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Freiheit und dem guten König Karl, der sein Flandern so sehr geliebt, mit
Bedauern und heimlichem Zorn. Unruhe wühlte in der Stadt. Die Protestanten
einten sich insgeheim, lichtscheues Gesindel rottete sich zusammen, kleine
Aufstände und Zusammenstöße mit den Soldaten häuften sich, getragen von
drohenden Botschaften aus Spanien; und in diesem unruhigen Gezänke
wetterleuchteten schon die ersten Flammen von Krieg und Rebellion. Die
Vorsichtigen begannen schon jetzt ihren Blick gegen das Ausland zu richten,
die andern trösteten und beruhigten sich, aber das ganze Land war mitgerissen
in eine fröstelnde Erwartung, die sich in jedem einzelnen spiegelte. In der
Schenke setzten sich die Männer in den Ecken zusammen und sprachen mit
gedämpfter Stimme, und zwischen ihnen durch scherzte der Wirt in seiner
derben Weise von Krieg und seinen Schrecknissen, doch das Lachen wollte
allen nicht recht aus der Kehle. Die sorglose Fröhlichkeit der üppigen
Menschen verlosch in Angst und unruhiger Erwartung.
Esther fühlte nichts von dieser Welt, nicht ihre gedämpfte und furchtsame
Art und nicht ihr geheimes Fieber. Das Kind war still wie immer und lachte
sie in seiner unbeholfenen Weise an, – so merkte sie keine Veränderung in
ihrer Umgebung. Ihr Leben trieb einer einzigen Strömung nach in eine
unselige Verwirrung; die Dunkelheit um sie ließ die phantastischen Träume
ihrer leeren Stunden ihr als Wirklichkeit erscheinen, so ferne und fremd, daß
sie für immer verloren war für die kühle besonnene Verständigkeit der Welt.
Ihre erwachte Weiblichkeit schrie nach einem Kinde, aber dieses bange
Mysterium wußte sie nicht, sondern sie erträumte es sich in tausend Formen,
in der schlichten Wunderbarkeit der biblischen Legende, wie in der
zauberischen Möglichkeit einsamer Phantasieen. Hätte ihr jemand dieses
Rätsel des Alltags in einfachen Worten erklärt, so hätte sie vielleicht mit
jenem verschämt betrachtenden Blicke wie sie Mädchen in dieser Zeit haben,
die Männer gemustert, die an ihr vorbeigingen. So aber dachte sie ihrer nicht,
sondern sah nur die Kinder auf den Straßen spielen und dachte träumerisch
jenes seltsamen Wunders, das ihr vielleicht auch eines Tages ein solches
rosiges spielendes Kind schenken könne, ein Kind, das ganz ihr gehörte und
ganz ihre Seligkeit wäre. Und so unbändig war der Wunsch in ihr, daß sie sich
vielleicht dem ersten besten hingegeben hätte, alle Scham und Ängstlichkeit
vernichtend, nur um dieses ersehnten Glückes willen; aber sie wußte nichts
von dieser schöpferischen Einung, und ihre Sehnsucht ging blinde und
nutzlose Pfade in die Irre. Und so kehrte sie immer und immer wieder zu
diesem fremden Kinde zurück, das ihr schon wie ein eigenes schien, so innig
war ihre Zärtlichkeit geworden.
So kam sie eines Tages zu dem Maler, der mit geheimer Unruhe ihre
übertriebene und fast krankhafte Leidenschaft zu dem Kinde bemerkt hatte,
mit ihrem leuchtenden Gesicht und der funkelnden Unrast in den Augen. Das
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Die Liebe der Erika Ewald
- Titel
- Die Liebe der Erika Ewald
- Autor
- Stefan Zweig
- Datum
- 1904
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 114
- Schlagwörter
- Literatur, Liebe, Erzählung, Schriftsteller
- Kategorien
- Weiteres Belletristik