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Klinikaufbau, Lehr- und Forschungstätigkeit an der Wiener Universität
kann nur durch fl eissiges Zusehen am Operationstische und Krankenbette erlernt
werden. Und da sollte derjenige gesetzlich das Recht erlangen, solche Operationen
auszufĂĽhren, der selbst sie niemals am Lebenden vollziehen sah?
Abgesehen von den operativen Fällen gibt es viele andere Fälle schwerer
Augenkrankheiten (wie z. B. die eitrigen Bindehaut- und HornhautentzĂĽndungen,
die meisten schweren Verletzungen, die heftigen acuten EntzĂĽndungen der
inneren Th eile des Auges), die nicht ambulatorisch behandelt werden können.
Alle diese wĂĽrden bei dieser Art des Unterrichtes wegfallen. Derselbe wĂĽrde sich
hauptsächlich auf die leichten Fälle beschränken.
Was den anderen, oben genannten Abschnitt der Augenheilkunde, die
Diagnostik der Augenkrankheiten anbelangt, so möchte es auf den ersten Blick
scheinen, als ob in dieser Beziehung das Ambulatorium gegen eine Klinik nicht
zurückstände. An den beiden Augenkliniken wird ja das damit verbundene
Ambulatorium in sehr ausgiebiger Weise für den Unterricht verwerthet. Es wäre
aber ein grosser Irrthum, wenn man ein einfaches Ambulatorium ohne Klinik als
gleichwertig ansehen wollte mit den an den Kliniken bestehenden Ambulatorien.
Das Materiale, aus welchem sich diese beiden Arten von Ambulatorien
zusammensetzen, ist ganz wesentlich verschieden. Die schweren Fälle, die der
Spitalsbehandlung bedĂĽrfen, suchen von vorne herein die Kliniken auf, da sie ja nur
dort Hilfe fi nden können; diess gilt natürlich auch für die meisten operativen Fälle.
In einem Ambulatorium, dem keine Betten für stationäre Kranke zur Verfügung
stehen, fehlen diese Fälle so gut wie gänzlich; es setzt sich fast ausschliesslich aus
leichteren Fällen zusammen. Der Studirende würde also gerade von den wichtigsten
nur sehr wenige zu sehen bekommen; er wĂĽrde eine grosse, durch keinen Vortrag,
kein Lehrbuch auszufĂĽllende LĂĽcke in seinen diagnostischen Kenntnissen haben.
– Ein zweiter, nicht minder schwer wiegender Nachtheil eines Ambulatoriums ist
der, dass der Lehrer seines Materiales niemals sicher ist. Während er heute Überfl uss
an Krankheitsfällen hat, kommt vielleicht am nächsten Tag kein einziger für den
Unterricht geeigneter Fall in das Ambulatorium. Soll daher der Lehrer nicht ganz
vom Zufalle abhängig sein, so muss er sich auf eine stationäre Klinik stützen, deren
Patienten ihm jederzeit zur VerfĂĽgung stehen.
Es steht also wol unzweifelhaft fest, dass ein klinischer Unterricht in der
Augenheilkunde eben nur an einer Klinik ertheilt werden kann, aber nimmermehr
an einem Ambulatorium.
Die angeregte Frage ist aber noch von weiter greifender, principieller
Bedeutung. Es besteht in Bezug auf den Unterricht kein wesentlicher Unterschied
zwischen der Augenheilkunde und den anderen klinischen Disciplinen. Wenn
ein Augenarzt vermeint, an einem Ambulatorium vollständigen klinischen
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Buch Ernst Fuchs (1851-1930) - und die Weltgeltung der Wiener Ophthalmologischen Schule um 1900"
Ernst Fuchs (1851-1930)
und die Weltgeltung der Wiener Ophthalmologischen Schule um 1900
Eine biografische Dokumentation mit Ergänzungen und Erläuterungen
- Titel
- Ernst Fuchs (1851-1930)
- Untertitel
- und die Weltgeltung der Wiener Ophthalmologischen Schule um 1900
- Autor
- Gabriela Schmidt-Wyklicky
- Verlag
- Ă–sterreichische Akademie der Wissenschaften
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7001-8602-1
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 696
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Biografi sches Selbstzeugnis 19
- Herkunft und Ausbildung 41
- Professor an der Universität Lüttich/Liège 1881-1885 129
- Die Gründung der II. Universitäts-Augenklinik in Wien 1883 und die Berufung von Ernst Fuchs 1885 175
- Klinikaufbau, Lehr-und Forschungstätigkeit als Ordinarius an der Wiener Medizinischen Fakultät 1885 bis 1915 219
- Das Lehrbuch von 1889. 18 Aufl agen in deutscher Sprache bis 1945. Ăśbersetzungen und weltweite Verbreitung 263
- Die Beschreibung neuer anatomischer Strukturen und Krankheitsbilder durch Ernst Fuchs und ihre histologische Fundierung anhand seiner Präparatesammlung 295
- Die „Fuchs-Bibliothek“ 403
- Akademische Feiern, WĂĽrdigungen und Ehrungen zum 70. Geburtstag von Ernst Fuchs am 14. Juni 1921 415
- Ernst Fuchs als innovativer Ophthalmochirurg und Erfi nder neuer Instrumente 445
- Schwerpunkte seiner internationalen Lehrtätigkeit – Itinerarium academicum in Auswahl: USA, Japan, China 473
- Lebensausklang, Vermächtnis und Nachruhm 525
- Verzeichnis der gedruckten Arbeiten 541
- Helmut Wyklicky†: Ernst Fuchs und seine Zeit (bisher nicht publizierter Vortrag, Salzburg 1981) 565
- I Literaturverzeichnis 577
- II Chronologische Bibliografi e zu Ernst Fuchs 645
- III Verzeichnis der Abbildungen, Bildlegenden und Bildnachweis 653
- IV Personenregister 663