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Nikolaus II. Esterházy und die Kunst - Biografie eines manischen Sammlers
Seite - 122 -
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PROBIEREN UND SUCHEN122 Er probierte, suchte, experimentierte und vergeudete Zeit und Kraft. Den ersten Abschnitt seiner Regierungszeit prägten denn auch zahlreiche Initiativen in allen Bereichen der Majoratsführung, von der Gütereinteilung über die Kunstförderung, das gesellschaftliche Leben und die Diplomatie bis hin zur prachtvollen Hofhal- tung, die vielgestaltig, besonders heterogen und bisweilen in sich widersprüchlich waren. Der junge Fürst verband unvermittelt Altes und Neues, Tradition und In- novation. So betrat er mit der Übernahme des Postwesens durchaus innovations- freudig den noch neuen Dienstleistungssektor. Mit dem Aufbau einer gigantischen Schafhaltungswirtschaft folgte er vorausdenkend der steigenden Nachfrage von Wolle, die europaweit Absatz fand und seinem Majorat Gewinne in beträchtlichem Ausmaß einbrachte. Dafür tätigte er große Investitionen und löste weitreichende strukturelle Veränderungen mit ungeahnter Dynamik aus. Der Fürst blieb zwar konservativer agrarkapitalistischer Großlandwirt, wurde aber gleichzeitig innovati- ver Unternehmer. Dabei setzte Nikolaus auf die Bildung und Weltgewandtheit der Mitglieder des Hofstaates und hielt doch gleichzeitig an seinem patriarchalischen Allmachtsanspruch fest. Der Fürst blieb Ausbeuter seiner untertänigen Bauern, so reformfreudig er sich auch geben mochte, denn alles andere hieße, die Herrschafts- elite frontal anzugreifen. Gleichzeitig wurde er jedoch auch vom Wissen und den Fachkenntnissen des aufkommenden Bildungsbürgertums abhängig, das er für sich zu nutzen wusste. Der Fürst blieb im Standesdemonstrationsgehabe durch Fest und Zeremoniell alten (Familien-)Traditionen verhaftet, übersteigerte sie sogar ins anmaßend kai- serliche und war gleichzeitig mit aufgeklärten Forderungen nach Leistung, Huma- nität und Bescheidenheit konfrontiert. Bei der Erziehung seiner Kinder und der außerehelichen Liebe gab er sich empfindsam schwärmerisch, folgte jedoch den gewohnten geschlechterspezifischen Kriterien der Fürstenbildung und stellte die Konvenienzehe mit Fürstin Maria Hermenegilde nie infrage. Mit seiner Geliebten, Gräfin Henriette Zielinska, spielte er jedoch modebeflissen – frei nach Rousseau – den vernunftbegabten »Landmann«. Ungern erfüllte Nikolaus seine Pflichten als Militär, Diplomat und Repräsentant des Kaisers. Dennoch waren diese für die fürstliche Selbstdarstellung unabwendbar, jedoch gleichzeitig vor dem Hintergrund des aufstrebenden Briefadels und leis- tungsorientierten Bürgertums machtpolitisch ausgehöhlt. Der Fürst genoss für sein prachtvolles Auftreten Bewunderung, war auch für die Finanzierung von Truppen von Bedeutung, hatte aber seine Autorität per se verloren. Nikolaus lavierte zwischen der Darstellung des sozialisierten Selbstverständnis- ses gottgegebener (und damit auch geistiger und finanzieller) Überlegenheit eines Fürsten und der gleichzeitigen Etablierung eines Kunstkennertums, das von einer neuen bürgerlichen Elite geprägt war. Der Prestigegewinn durch Kunst und der Aufbau einer Sammlung war hierbei nach wie vor glanzvolles Machtsymbol. Es galt jedoch, durch Beteiligung am intellektuellen Diskurs eine aufgeklärt-moderne Kennerschaft zu entwickeln und zu belegen. Dass sich Nikolaus hierbei eines elo- quenten bürgerlichen Expertenkreises bediente, war ebenso neu wie die Rezeption von Sammlungsstrategien und die Erschließung neuer Sammelgebiete, wie den Naturwissenschaften, die ein bürgerliches Phänomen waren. In seinem Kunstge- schmack war der Fürst eindeutig den vorherrschenden Moden und Trends verhaftet, die er mit seinen umfangreichen Mitteln auch finanzieren konnte. In diesem Zu- sammenhang bewegte sich Nikolaus – wie schon sein Vater – in der baulichen Ak-
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Nikolaus II. Esterházy und die Kunst Biografie eines manischen Sammlers
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Nikolaus II. Esterházy und die Kunst
Untertitel
Biografie eines manischen Sammlers
Autor
Stefan Körner
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2013
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 2.0
ISBN
978-3-205-78922-2
Abmessungen
23.0 x 28.0 cm
Seiten
404
Kategorie
Kunst und Kultur
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