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Tagebuch 1937/1
Hans als Grünewaldkenner schon längst erwartet zu haben, erbat eine Expertise
u. s. w. Wir wollen d. Tafel noch morgen früh wieder sehen
– eine Expertise wird sie
aber nicht bekommen, wenn wir auch noch so entzückt sind
…10
Abschluss im Nachtasyl, französ[ischer] preisgekrönter Film von Jean Renoir, mit
Jouvet etc., ganz famos. Und so schönes französisch. Zurück per Tram, denn es regnet,
regnet, regnet.
–11
Nachtrag : Erste Post von zuhaus (Stoffel) u. Nachgeschicktes.
–
24. [April]
Bern, Frühstück. Gestern hab ich gar nicht geschrieben. Die Grünewaldtafel war
auch in d. Früh sehr schön. Bei einem Kunsthändler Stöcklin vis-à-vis war nichts
zu sehen. Bei Dr. Raeber haben wir den „Verdizotti“ photogr[aphiert]. Dann bei Dr.
Loeb, der voll Fidus war u. von 130 in Deutschl[and] bereits ausgelieferten Werken
II/1 sprach. Die Einstellung Winklers gegen uns liegt ihm stagelgrün auf. Tant mieux.
Auch er erzählte von seinem Ausfall im Z[eichnung]enband d. D[eutschen] V[ereins],
den alle Leute als grobe Taktlosigkeit empfinden.
–12
(Verlust einer Goldplombe bei Kaffeebonbon).
Abreise. Bern. Edles Hôtel (Savoy). Museum mit neuen Tafeln Antonius […]
Einsiedlerlegende M[anuel] Deutsch ! Altarflügel mit Toten Messe haltend etc.
bez[iehungsweise] Heer von Toten gegenüber Lebenden, Seele Empfang genommen
oben – kein H[ei]l[i]ger ! Hahnloser getroffen, Gang durch die entzückende Stadt
Nachtmahl bei ihm mit (hochschwangerer) Frau u. Bremer Schwiegervater. (Mitge-
brachte Chokolade-Revanche). Durch d. Laubengänge heimgewandelt
…13
Ich schreibe beim Nachtmahl im Hôtel Simplon in Lausanne, wo wir im 4. Stock
ein Zimmer mit Balkon u. Aussicht auf – sagen wir, auf Schneeberge haben. In d.
Früh waren wir bei Dr. Bruck dessen Bernerisch sich als künstlich erwies, er ist Kro-
ate u. besonders sympathisch, wenn er auch nur Niederl[änder] d. 17. u. Graphik
(Goya u. Daumier) sammelt. Zeigt Kunstwerke eines Freundes, die er bei sich im
Safe hat. Expertisen von Baldaß etc. Und
– der bärtige, den Frühling 1936 Eigenber-
ger restaurierte u. Fiocco als Tizian durch d. Wiener Zeitungen gehen ließ. In aller
bestem Fall ein Calcar ! In d. Expertise schreibt Fiocco : Portr[ät] Papst Paul III. und
1550–60. Empörende Frivolität. Dann mit Hahnloser im Histor[ischen] Mus[eum],
die herrlichen Paramente und Tapiss[erien] angesehen. Großer Genuß ! Zuhaus
große Mittagspause, in der uns Hahnloser die 2 ersten Kapitel einer Dissertation von
Hofer über venez[ianische] Landschaft schickte, da er sich nicht auskennt. Wir haben
dann alles mit Hahnloser im Institut durchgesprochen, der Notizen nahm. Direktor
v. Mandach klärte uns über d. Totenmesse auf, die viell[eicht] vom Vater d. Man[uel]
Deutsch in d. Kathedr[ale] gestiftet ist. D[er] Aussteller von Rembrandtgraph[ik] etc.
kam dazu (Holländer De Bruyn), der am Tag vorher Hans’ Tizian bekom[men] hatte.
Herrliche Fahrt herüber, es ist Sonne bis ½ 8, da wir am Rand der westeurop[äischen]
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Erica Tietze-Conrat
Tagebücher, Band II: Mit den Mitteln der Disziplin (1937–1938)
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- Titel
- Erica Tietze-Conrat
- Untertitel
- Tagebücher
- Band
- II: Mit den Mitteln der Disziplin (1937–1938)
- Herausgeber
- Alexandra Caruso
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79545-2
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 346
- Kategorie
- Biographien