Seite - 16 - in Existentialismus in Österreich - Kultureller Transfer und literarische Resonanz
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Die Idee desMissverständnisses existiert in der Kulturtransfertheorie in dieser
Formnicht,derTransferwird„alsetwasansichPositivesgesehen“25,wonach
einhermeneutischesVerfahren zumTragenkommt: „Auchwenn ein fremder
Gegenstand durch den Rezeptionsprozeß völlig verwandelt wird, geht es
dabei um einen Deutungsversuch.“26 Der Transferansatz würde im Hinblick
aufdenExistentialismusentsprechendnichtnur fragen,welche„Veränderun-
gen des Rezeptionskontextes“27 die Strömung bewirkt, sondern auch, wie sie
sichselbstdurchdie„AnpassungandenneuenKontext“28gegenüberderfranzö-
sischenAusprägungverändert.
DerExistentialismus, als eindieLiteratur, Philosophie, PolitikunddenLe-
bensstil umgreifender Gegenstand, dem nur mit einer transdisziplinären Me-
thodewie demKulturtransfer beizukommen ist,29 trifft bei der Vermittlung in
einen fremdenKulturraumauf literarische, philosophische undpolitische Fel-
der andererGestalt (cf. Kap. 7.1). SolcheAsymmetrien sind „wesentlich fürdas
Zustandekommen kultureller Interaktion“30, wobei der Gedanke des Kulturge-
fälleshier verworfenwird. Statt anzunehmen,dass eineKultur imGanzeneine
Vorrangstellung besitzt und Einfluss auf eine andere, nachrangige ausübt, ist
es lautWernernötig, nachden jeweiligenKulturbereichenund -ebenenzudif-
ferenzierenund zu relativieren: „Was vondemeinen Standpunkt aus gesehen
als ‚kultureller Vorsprung‘wahrgenommen wird, erscheint aus anderer Sicht
als ‚Rückständigkeit‘ […].“31 Inwieweit die tendenziell unilateralenKulturtrans-
fers ineinerBesatzungssituationals„Strategiendeskulturellen Imperialismus“
gewertetwerdenmüssten, ist nachdemTransferkonzept sekundär, da auch in
Fällen von klarer Kulturdominanz nicht auf den Export als solchen, sondern
aufdieanfallenden „Veränderungen,UminterpretationenundAdaptationen“32
imZugedesRezeptionsprozesseszuachtensei.
25 Jurt:DaswissenschaftlicheParadigmadesKulturtransfers,S. 31.
26 Espagne und Werner: Deutsch-französischer Kulturtransfer im 18. und 19. Jahrhundert,
S. 508.
27 Espagne:DieRollederMittler imKulturtransfer,S.310f.
28 EspagneundGreiling:Frankreichfreunde,S. 11.
29 Cf.Michel Espagne: Problèmesd’histoire interculturelle. In: Revuegermanique internatio-
nale4 (1995),S. 5–24,hierS. 14.Cf.auchSchmale:HistorischeKomparatistikundKulturtrans-
fer,S. 102.
30Werner:DissymmetrienundsymmetrischeModellbildungen inderForschungzumKultur-
transfer,S.96.
31Werner:DissymmetrienundsymmetrischeModellbildungen inder Forschung zumKultur-
transfer,S.96.
32Werner:DissymmetrienundsymmetrischeModellbildungen inderForschungzumKultur-
transfer,S.96.
16 2 DerExistentialismusalsGegenstandderKulturtransferforschung
Existentialismus in Österreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Titel
- Existentialismus in Österreich
- Untertitel
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Autor
- Juliane Werner
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 378
- Kategorie
- Kunst und Kultur