Seite - 37 - in Existentialismus in Österreich - Kultureller Transfer und literarische Resonanz
Bild der Seite - 37 -
Text der Seite - 37 -
MenschenallerLänderundZeiteningleicherSituation“95.HatmanesbeiKultur-
transfers prinzipiell mit „asymmetrischen Konstellationen“96 zu tun, deren ein-
fachste, laut MichaelWerner, die zeitliche Verschiebung ist, so führt die Zäsur
durchdenZweitenWeltkrieg inFrankreichundÖsterreichdochzueiner beson-
deren Vergleichbarkeit. In beiden Ländern setzt sich das kulturelle Feld nach
1945 neu zusammen, auchwenn – der Logik der jeweiligen politischen Kräfte
gehorchend – die Restrukturierung in Österreich bald in eine von Vorkriegs-
AkteurInnendominierte „konservativ-restaurative, die Kontinuität betonende“97
Ausrichtungmündet, während in Frankreich SchriftstellerInnen der Résistance
unddieHegemoniederPartiCommunistedenZeitgeistprägen.98
Mit der Aufwertung des eigenenWiderstands gegen den Nationalsozialis-
musundderAußerachtlassungdesKollaborationsausmaßes trägtbis zueinem
gewissen Grad eine Verklärung der jüngeren Vergangenheit zum Fundament
der IV. und V. Französischen Republik bei, zu der das Stützen auf die Opfer-
these als Gründungsmythos der Zweiten Republik Österreichs bisweilen in
Bezug gesetztwird. 1940unterliegt „einmilitärisch gestärktes, innen- und au-
ßenpolitischkonsolidiertesund selbstbewußtesFrankreich einemGegner, des-
sen militärischer Aufrüstung kaummehr Aufmerksamkeit geschenkt worden
war als seinen politischen Expansionsbestrebungen“99, fasst der Romanist
Hans-Jürgen Lüsebrink das für die Nation traumatische Ereignis zusammen.
Sartre selbst, so viel ist seinen Briefen zu entnehmen,wollte bis zumTag des
AusbruchskaumaneinenKriegglaubenundberuhigtetwaLouiseVédrine (bei
der es sich um die jüdische Freundin Bianca Bienenfeld handelt) noch am
31. August 1939, dass kriegerische Absichten Hitlers unmöglich seien („[c]’est
dubluff“100). Rückblickend erklärt er,manhabe sichnicht amVorabend, son-
dernamFolgetagdes letztenhistorischenUmbruchs („au lendemaindudernier
95 Herbert Eisenreich: Prominente vonuntengesehen.Der offizielle undder liberaleGeist in
ÖsterreichsGegenwart. In:DieZeit, 26.02.1953.
96Werner:DissymmetrienundsymmetrischeModellbildungen inderForschungzumKultur-
transfer,S.89.
97WynfridKriegleder:DieLiteraturder fünfziger Jahre inÖsterreich–einÜberblick. In: treib-
haus10(2014),S. 29–49,hierS.37.
98 Cf.GisèleSapiro:LaGuerredesécrivains. 1940–1953.Paris 1999,S. 564.
99 Hans-JürgenLüsebrink:DieNiederlageals Trauma–L’Empire colonial alsKompensation.
In:SchlobachundGrunewald (Hg.):Vermittlungen.Aspektederdeutsch-französischenBezie-
hungen vom 17. Jahrhundert bis zur Gegenwart, Bd. 2. (Contacts, Gallo-Germanica 7.) Bern
etal. 1992,S.357–370,hierS.357.
100 Sartre:LettresauCastor,S. 271.
3.2 Résistance,OpfertheseunddasÜberspringenvonLesMouches 37
Existentialismus in Österreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Titel
- Existentialismus in Österreich
- Untertitel
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Autor
- Juliane Werner
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 378
- Kategorie
- Kunst und Kultur