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DeuxMagots.“55 Es handelt sich beim „Strohkoffer“umein Lokal, „dasman in
Pariseineboîtedenuitnennenwürde“, stimmt„ArtClub“-PräsidentAlbertParis
Güterslohzu, fürWiensei es jedochweitmehr,„eineNotwendigkeitdieserStadt
als Großstadt“, zugleich „eine entscheidende Attacke gegen die Flachlands-
knechte der Provinz“unddamit, anders als inParis, ein „Refugiumder offiziell
Verpönten und Geschmähten“56. Deren Isolation spricht nach der Schließung
des „Strohkoffer“ im Jahr 1953 aus demNamen des sich im unweit gelegenen
Nachfolgelokal Adebar (in der Annagasse 3, Innere Stadt) etablierenden Treff-
punkts „Exil“, der „Programm,BekenntnisundVorwurf ineinem, zugleichaber
auch Koketterie mit dem eigenen Abseitsstehen“57 ist. Die den französischen
Avantgarde-KünstlerInnen in diesem Maß unbekannte Randlage im Kulturbe-
trieb fällt JeanCocteaubei seinemWien-Besuch imMai 1952auf; imUnterschied
zumPariser ExistentialistInnen-Milieu sei der „Art Club“der Treffpunk einer fi-
nanziell und kulturell noch vollkommenmittellosen, isolierten Jugend („le ren-
dez-vous d’une jeunesse très pauvre, très fraîche et qui ne joue pas encore un
rôle.Les jeunesartistesnetrouventaucuneréponseetsegroupentpoursesentir
moins seuls. Ils dessinent, ils peignent, ils écrivent, ils tissent avec desmoyens
d’infortune“58).
Gleich den Gästen der Pariser Hotspots (darunter Jean Genet, Raymond
Queneau undMarguerite Duras, Boris Vian und Juliette Gréco, der Regisseur
Alain Resnais sowie die Schauspieler Roger Blin und Daniel Gélin, aber auch
55 Ingeborg Bachmann: Herzzeit. Ingeborg Bachmann – Paul Celan. Der Briefwechsel, mit
denBriefwechseln zwischenPaul CelanundMaxFrisch sowie zwischen Ingeborg Bachmann
undGisèle Celan-Lestrange.Hg. undkommentiert vonBertrandBadiou,HansHöller, Andrea
Stoll und BarbaraWiedemann. Frankfurt amMain 2008, S. 44. Celans Verbindung zu Sartre
beschränkt sich auf eine Unterstützungsbitte im Zuge der von Yvan GollsWitwe Claire Goll
gegen ihn angestrengten Plagiatsaffäre. Celan bezeichnet diese in einem im Jänner 1962 ge-
schriebenen, aber nicht abgeschickten Brief als „richtige Dreyfus-Affäre“ („une vraie affaire
Dreyfus“)undappelliert anSartres„Gerechtigkeits-undWahrheitssinn“ („sensde la justiceet
de lavérité“):„Ichweißnatürlich,daßSieMühehaben,diesemUnbekanntenzuglauben,der
Ihnen schreibt. ErlaubenSie ihm, zu Ihnen zukommen, um Ihnen, unterstützt durchdieDo-
kumente, diesenFall (vondem ichSie bitte,mir zu glauben, daßer einzigartig ist) darzustel-
len.“ („Je sais bienquevousavezdumal à croire cet inconnuqui vous écrit. Permettez-lui de
venir vous exposer, avec les documents à l’appui, ce cas [dont je vous prie de croire qu’il est
unique.]“)PaulCelan. In:Wiedemann(Hg.):PaulCelan–DieGoll-Affäre.Dokumentezueiner
„Infamie“. FrankfurtamMain2000,S.544f.
56 Albert Paris Gütersloh: Bedenken Sie doch die Zeit, in derwir leben. Rede vom 15.12.1951
zur Eröffnungder neuenArt Club-Galerie im „Strohkoffer“. In: Breicha (Hg.): DerArt Club in
Österreich,S. 14–15,hierS. 14, 15.
57 L.:BärteundKunst sind im„Exil“. In:Bild-Telegraf,09.12.1954.
58 Cocteau:LePassédéfini,S. 199.
5.1 Modeundmodedevie:VonSt.Germain-des-Prészum„Strohkoffer“ 107
Existentialismus in Österreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Titel
- Existentialismus in Österreich
- Untertitel
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Autor
- Juliane Werner
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 378
- Kategorie
- Kunst und Kultur