Seite - 124 - in Existentialismus in Österreich - Kultureller Transfer und literarische Resonanz
Bild der Seite - 124 -
Text der Seite - 124 -
Premierefeiert.147 IndemStücküberdieHamburgerIndustriellenfamilieGerlach,
über die seit Kriegsende der laut Todeszertifikat in Argentinien verstorbene, in
Wirklichkeit aber in seinem Zimmer versteckte Sohn Frantz herrscht, ist man
ebenso eingeengt („drôlement coincés“148)wie bei denWitkowskis, die sich „in
einausweglosesGefängniseingesperrt“149 fühlen.ÜberdenauffälligenTitelhin-
aus enthältDie Ausgesperrtendiverse thematische Reminiszenzen (der Umgang
mit Schuld, derGenerationenkonflikt, die zu engeGeschwisterbindung) zudem
Stück, auch sehr spezifische, als etwa Rainer wie Sartres Figur Frantz Gerlach
versucht, sichundseinenVatermitdemAuto indenTodzustürzen.DassRainer
schließlichseineganzeFamilieauslöscht,mitdemGesichtsausdruckeinesMen-
schen, „der Camus liest und aus Quälerei an der Welt ans Töten schreiten
muߓ150, erteilt sowohldemAbsurdismusals auchdemExistentialismusals po-
sitivephilosophischeVorbildereineletztedrastischeAbsage.
Rainer, der seine Lage „zahllosen Teenagern seiner Generation“ gleich als
„aussichtslos“151 beschreibt, übertrifft mit seiner Tat alle Schreckensvisionen
vom berüchtigten Sartreschen „Idealismus der Ausweglosigkeit“152. Dass das
seelische Vakuum einer Generation ohne Eigenschaften (die Namen Sophie
PachhofenundHansSeppstammenvonMusil) emphatischmitdemExistentia-
lismus befüllt werden kann,wird andererseits darauf zurückgeführt, dass Sar-
tre die Jugend optimistisch sein lässt in einer zu Pessimismus ausreichend
AnlassbietendenWelt; geradediesmachtSartresDenken fürGüntherNenning
147 DasVolkstheaterbringt imVorjahr 1959bereitsdieösterreichischeErstaufführungvonSar-
tresDasSpiel ist aus, unterderRegievonGustavManker,demVatervonPaulusManker,der in
derVerfilmungvonJelineksDieAusgesperrten1982dieFigurdesRainerWitkowskispielenwird.
148 Jean-PaulSartre:LesSéquestrésd’Altona. In:Sartre:Théâtrecomplet,S.857–993,hierS.957.
149 Jelinek:DieAusgesperrten,S. 167.EinebesondereNähezudiesemSartre-Stück (sowiezu
Huis clos) lassen auch ThomasBernhardsDreiecks-DramenRitter, Dene, Voss (1986) undVor
demRuhestand (1979) erkennen, unter anderem indenUnaufrichtigkeiten, dengegenseitigen
UnterwerfungenundErstarrungen ihrerHauptfiguren.
150 Jelinek: Die Ausgesperrten, S. 206. Cf. auchHeidi Strobel: Gewalt von Jugendlichen als
Symptomgesellschaftlicher Krisen. LiterarischeGewaltdarstellungen in Elfriede Jelineks „Die
Ausgesperrten“ und in ausgewählten Jugendromanen der neunziger Jahre. (Europäische
Hochschulschriften I/1655.)FrankfurtamMain1998.
151 Jelinek:DieAusgesperrten,S. 164f.
152 Rudolf JeremiasKreutz:Oesterreichs Jugend. In:EuropäischeRundschau3 (1948),Nr. 18,
S.832–835,hierS.834.
124 5 DerExistentialismusalsSubkultur
Existentialismus in Österreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Titel
- Existentialismus in Österreich
- Untertitel
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Autor
- Juliane Werner
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 378
- Kategorie
- Kunst und Kultur