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wasdieFreiheit derPersoneinengenodergargefährdenkonnte“,war:„Nichts
ließ damals die Vermutung aufkommen, daß er über dieWeltlage und beson-
ders über den Stalinismus anders dachte als ich oder als Arthur Koestler, mit
dem er sich besonders gut zu verstehen schien, oder mit seinem jüngeren
FreundAlbert Camus.“96 Anders als Koestler undAndréGorz schreibt Sperber
überwiegend in deutscher Sprache,wirkt allerdings nur imRahmen kritischer
Stellungnahmen in seinen journalistischen und autobiographischen Texten
nachEndederErstrezeptionalsExistentialismus-VermittlernachÖsterreich.
Als Reaktion auf den „Verlust des gesamten geistigen, fortschrittlich de-
mokratischenPotentials“97 imNachkriegskulturbetriebbesetzt die teils belastete
ältereAutorInnen-GenerationjeneLeerstellen,diezunächstkurzmit internationa-
ler Literatur befüllt waren. Umdie jungen SchriftstellerInnen ist es unterdessen
still, siemachen eine „schöpferische Pause“ und holen Versäumtes nach, erste
Versuchewerden als „unzulänglich undunfertig“98 empfunden. Als sie sich be-
reit fühlen, ist alle „Aufbaueuphorie“99 passé und ihnen stehenkaumPublikati-
onsplattformen zur Verfügung. Wider den Vorkriegserzählstil, der sich in den
fünfziger Jahren inHeimito vonDoderersMonumentalprosa vollendenwird, ver-
fassendie Jungen,wieMichaelScharanges späterumreißt, vielfach„eineLitera-
tur, diekleindaherkommt“100,wasnicht indasnach 1945propagierteSelbstbild
alsKulturnationpasst:„UndsospieltemanMozartgegenAlbanBergaus, ‚volks-
nahe‘ Kunst gegen die Moderne und die im ‚Dritten Reich‘ kompromittierten
Schriftsteller gegen die junge Generation.“101 Beimanchennicht etabliertenAu-
torInnen setzt die staatlicheFörderungkonservativenSchreibens eineSelbstzen-
sur inGang,dochauchihrWerk,das„häufigeineunbewussteKontinuität“102zur
Literatur der ErstenRepublik aufweist, bleibt ohnepositiveResonanz.Nichts als
96 Sperber: Nur eineBrücke zwischenGesternundMorgen, S. 40, 39; cf. S. 39f.: „Wennwir
allein waren, erwogen wir vornehmlich Fragen, die die wissenschaftlichen Ansprüche des
MarxismusbetrafenundnochöfterdaspsychischePhänomenderEntfremdungundSelbstent-
fremdung,das ichbereits im Jahre 1934 recht ausführlich ineinemBuchbehandelt hatte.Der
Lektor, der es ein Jahrzehnt vorher angenommenhatte, hatte SartreübermeineBemühungen
um einemarxistische Individualpsychologie informiert. Überdies hatte ihmKoestler, der da-
malshäufignachPariskam,wohlausführlichvonmirerzählt.“
97 Stadler:Kontinuitätund/oderBruch?,S. 11.
98 Zlabinger:LiterarischeZeitschriften inÖsterreich1945–1964,S.79.
99 Hahnl:VonderDiskreditierungder Ideologien,S. 157.
100 Michael Scharang:Die proletarisierte Literatur. In: Scharang:Die List der Kunst. Essays.
Darmstadt und Neuwied 1986, S. 14–24, hier S. 15. [Zuerst in: Literatur Konkret 1983/1984,
Nr.8.]
101 Kriegleder:DieLiteraturder fünfziger Jahre inÖsterreich,S.34.
102 Kriegleder:DieLiteraturder fünfziger Jahre inÖsterreich,S.38.
6.2 Kontinuitätals/stattNeuanfang 165
Existentialismus in Österreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Titel
- Existentialismus in Österreich
- Untertitel
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Autor
- Juliane Werner
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 378
- Kategorie
- Kunst und Kultur