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verändern“, sei „völlig sinnlos“319, da die Wirkung des eigenen Schreibens
wenigbeeinflussbarsei.
Bachmann,dieSartreundBeauvoirbeimKongressdereuropäischenAutorIn-
nenvereinigung „Comunità europea degli scrittori“ (COMES) in Leningrad imAu-
gust 1963 hätte begegnen sollen, aber kurzfristig absagt,320 kommt mit der
engagiertenLiteraturbeidenTreffender„Gruppe47“ inDeutschlandvertiefendin
Kontakt.Dieser Literatur-Transfer aus zweiterHanderreicht auchandere österrei-
chischeAutorInnenwieMiloDor undHerbert Eisenreich, besonders ausWeigels
Kreis, den man durch die personellen Überschneidungen mit der „Gruppe 47“
bald „im Wiener Literatenjargon die ‚Gruppe 4 Komma sieben‘“321 nennt. Die
„Gruppe 47“ verleiht 1952 ihren Preis an Ilse Aichinger, 1953 an Ingeborg Bach-
mann. Auchwenn viele der österreichischenAutorInnen, die „keinen gebühren-
den Platz“ im literarischen Feld ihres eigenen Landes finden, Anerkennung in
Deutschland suchtenundauch fanden,322war doch „nie […] ein Land exotischer
alsdiesesDeutschland,undniewarenLeutewunderlicheralsdiese ‚Gruppe47‘“,
so Bachmann, die die seinerzeitigen literarischen Felder deutlich voneinander
abgrenzt:
ImJahr 1952wußteman inÖsterreichsogutwienichtsüberneuedeutscheSchriftsteller.
Hin und wieder fuhr jemand, der Paß und Visum hatte, nach Deutschland, das ferner
schienals jedes andre Land, einigewenige ‚Pioniere‘, die dannerzählten, eswäre zuviel
gesagt,daßman[aus] jenenErzählungenklughättewerdenkönnen.323
Das Engagement ist ein wichtiger Faktor für die „Gruppe 47“, deren Name
vomSartre- undCamus-ÜbersetzerHansGeorgBrenner erdachtwurde. Auch
landen Texte von den Tagungender Gruppe in denTempsmodernes, so vom
deutschenAutorHans ErichNossack (worüber auch das Besatzungs-Bulletin
Kulturelles am4.April 1949 berichtet), der damit ohneVerzug in der öffentli-
chenWahrnehmung zum Existentialisten wird. Gefragt, ob er diese Klassifi-
319 Bachmann: [Rede zur Verleihung des Anton-Wildgans-Preises], S. 296f. Cf. das Kapitel
„FragenundScheinfragen“ in IngeborgBachmann:FrankfurterVorlesungen.Problemezeitge-
nössischerDichtung.München1980,S.6–23.
320 Cf.HansMagnusEnzensberger:Tumult.Berlin2014,S. 11.
321 Beer: ImmernochKafka… In:DieZeit, 13.08.1953.
322 Cf.Kriegleder:DieLiteraturder fünfziger Jahre inÖsterreich,S. 39.Diesgiltbesonders für
experimentelleKünstler, für die die Lage inÖsterreichbis indie sechziger Jahrehineindenk-
bar schlecht ist: Der Traditionalismusdes kulturellen Feldes, der alle öffentlichenSubventio-
nen „ausschliesslich in konservative kanäle“ leitet, treibt sie laut Rühm (das phänomen
„wiener gruppe“, S. 29) vor allem nach Deutschland, „wo damals das kulturelle klima für
kunst,wiewirsievertraten,sehrvielgünstigerwar.“
323 Bachmann: [Gruppe47]Entwurf,S.325,323.
208 6 StimmenderGegenwart:ExistentialistischeLiteratur
Existentialismus in Österreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Titel
- Existentialismus in Österreich
- Untertitel
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Autor
- Juliane Werner
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 378
- Kategorie
- Kunst und Kultur