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Aufmerksamkeit lediglichaufHeidegger,Kierkegaard,Nietzsche,EbnerundWust
richtet, undwenn fürWolfgang Stegmüller, dessen einflussreichesWerkHaupt-
strömungen der Gegenwartsphilosophie von 1952 ein Kapitel zu Jaspers’ Existenz-
philosophieundeineszurExistenzialontologieHeideggersenthält, derSartresche
ExistentialismusebensowieCamus’SchriftenzumAbsurdenentbehrlichbleiben.
Dass Sartres L’Être et le Néant bis dahin nicht in deutscher Übersetzung
vorliegt, trägt zu einer gewissen Rezeptionshemmung bei. Wird nur auf Sar-
tres Ist der Existentialismus ein Humanismus? zurückgegriffen, droht die Ge-
fahr, seine Philosophie mit diesem kurzen Vortrag gleichzusetzen und für
„fachphilosophischeKoketterie“101 zuhalten. DiesesUrteil, das ErichHeintel
in seinem Beitrag „Jean Paul Sartres atheistischer Humanismus“ (1948)
fällt, mündet in dieWeigerung, Sartre fortan ernst zu nehmen,während Leo
GabrielsStudiedasexistentialistische„VersuchsfeldausschweifendstenDilet-
tierens“102 unterHeranziehungderOriginalausgabe von L’Être et le Néant zu
umgehenbeabsichtigt.
Heißt es inWaldschütz’Überblicküber franko-österreichischePhilosophie-
transfers, der Existentialismus stoße inÖsterreich „nicht auf ungeteilteGegen-
liebe“103, so ist vorallemanErichHeintel zudenken. 1936beiRobertReininger
promoviert und 1939 habilitiert, vertritt dieser nach einer „Unterbrechung aus
politischen Gründen“104 (seiner NSDAP-Mitgliedschaft) ab 1949/50 am Institut
für Philosophie der Universität Wien eine Transzendentalphilosophie im Sinne
des Deutschen Idealismus auf dem Fundament protestantischer Theologie,
wobei er, wie Haller zuspitzt, mit der ganzen Philosophiegeschichte aufwartet,
um „die beiden Hauptfeinde“105 Marxismus und Positivismus zu bekämpfen.
Zeitgenössischeswirddabei berücksichtigt als „Polemik, die denUnwert gegen-
wärtigenPhilosophierens vordemRichterstuhldesWeltgeistesderTradition“106
illustriert,wofürHeintelsLehrveranstaltung„HamannundderExistentialismus“
101 Heintel: JeanPaulSartresatheistischerHumanismus,S.35.
102 LeoGabriel:ExistenzphilosophievonKierkegaardbisSartre.Wien1951,S.7.
103Waldschütz: Wahrnehmung und Rezeption französischer Philosophie in Österreich,
S. 209.Cf.auchMichaelWiesmüller:RezeptionenzweitenGrades.FranzösischePhilosophie in
Österreich. In: Angerer und Le Rider (Hg.): Französisch-österreichische Kulturtransfers seit
1945,S.303–314.
104 Stadler: Philosophie–Zwischen „Anschluss“undAusschluss, Restaurationund Innova-
tion,S. 125.
105 Haller: Die philosophische Entwicklung in Österreich amBeginn der Zweiten Republik,
S. 165. Cf. auchHans-Dieter Klein: Erich Heintel und die Philosophie perennis. In: Benedikt
etal. (Hg.):VerdrängterHumanismus,S. 1072–1090.
106 Haller: Die philosophische Entwicklung in Österreich amBeginn der Zweiten Republik,
S. 165. 7.2 ZuruniversitätsphilosophischenAufnahmedesExistentialismus 251
Existentialismus in Österreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Titel
- Existentialismus in Österreich
- Untertitel
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Autor
- Juliane Werner
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 378
- Kategorie
- Kunst und Kultur