Seite - 278 - in Existentialismus in Österreich - Kultureller Transfer und literarische Resonanz
Bild der Seite - 278 -
Text der Seite - 278 -
nisme à sa forme stalinienne“62), wie der imMärz 1948 veröffentlichte „Appel“
seines Komitees verkündet. Gedacht als eine sich ständig anpassende Vermitt-
lung zwischen der UdSSRund denUSA auf sozialistischer Ebene („unemédia-
tion constamment changeante entre l’U.R.S.S. et les U.S.A. sur le plan
socialiste“63), schwenkt das R.D.R. bald nachWesten. Seinerseits den anderen
Weggewählt zuhaben, führt Sartre konkret auf drei politischeErfahrungen zu-
rück: seine 1951 beginnendeUnterstützungderKommunistInnen zugunstendes
MatrosenHenriMartin, der für seinenAufruf gegenden Indochina-Kriegwegen
Sabotageverurteiltwurde;64weitersdenkommunistischenProtestgegendenam
28. Mai 1952 in Paris eintreffenden US-amerikanischen General Matthew
Ridgway,demangelastetwird, alsKommandantderUNO-Truppenwährenddes
KoreakriegesbiologischeWaffengegennordkoreanischeundchinesischeGegner
eingesetzt zu haben; zuletzt bekräftigt die sich im Zuge dieser Demonstration
ereignendeVerhaftung desGeneralsekretärs derParti Communiste, JacquesDu-
clos, Sartres Beschluss, compagnon de route zu werden: Die Geschehnisse er-
weckten in ihmdenWunsch, denMarxismus noch einmal näher anzusehen,
und einGefühl für denKlassenkampf, dass ihnnie verlassenhabe („undésir
de revoir lemarxisme,unsensde la luttedes classes quinem’aplusquitté“65).
Die französischenKulturbeauftragten inWien setzen die österreichischen Lese-
rInnen im Oktober 1952 von Sartres neuer Überzeugung in Kenntnis, „dass in
den jetzigen Verhältnissen eine gewisse Zusammenarbeit mit dem Kommunis-
musdereinzigemöglicheWegsei“66,zunächstohnegrößerenWiderhall.
Sartres ersteWien-Reise steht amEnde dieses Jahres, das von einer theo-
retischenBeschäftigungmit demKommunismus geprägt ist (die ersten beiden
Teilevon„LesCommunisteset laPaix“erscheinen imSommerundHerbst 1952
inLes Tempsmodernes), und indemsichder endgültigeBruchmit den einsti-
gen Freunden Maurice Merleau-Ponty und, nach drastischen Verbalattacken,
AlbertCamusvollzieht.67DerAuftritt inWien führtdiesenTrend fort:Vieledis-
62 Jean-Paul Sartre et al.: Appel du comité pour le Rassemblement Démocratique Révoluti-
onnaire. In:Esprit 1948,Nr. 143 [März],S.464–466,hierS.464.
63 Sartre:Sartre,S.90.
64 Cf. Jean-PaulSartre:L’AffaireHenriMartin.Paris 1953.
65 Sartre: Sartre, S. 111. Für eine Betrachtung der Hintergründe von Sartres Weggenossen-
schaft cf.AlfredBetschart: SartreunddieSowjetunion–einBeispiel fürEthik inSituation. In:
KnoppundVonWroblewsky (Hg.):Carnets Jean-PaulSartre:ReisendeohneFahrschein. (Jahr-
bücherderSartre-Gesellschaft 3.)FrankfurtamMain2012,S.37–60.
66 ArmandJacob:DieAuseinandersetzungSartre-Camus. In:GeistigesFrankreich, 13.10.1952.
67 EinekonziseDarstellungvonSartresBruchmitMerleau-Ponty,CamusundAron liefertder
dritte Part („Les années Sartre“) vonMichelWinocks Studie Le Siècle des intellectuels (Paris
1999 [1997]).
278 8 SartreundderkulturelleKalteKrieg
Existentialismus in Österreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Titel
- Existentialismus in Österreich
- Untertitel
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Autor
- Juliane Werner
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 378
- Kategorie
- Kunst und Kultur