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es treten „pauschale Reizwörter“108 an die Stelle vonArgumenten. So klagt die
gegenden „Weltkommunismus“ gerichtete ZeitschriftKontinente, dass „aus der
Tradition der freien Welt“ herausgewachsene Worte wie Frieden „zu leeren
Schlagworten“herabgesetztwürden: „Der SinndieserWorte ging verloren, und
dieAufgabederpolitischenAufklärungsarbeitbestehtwohldarin, siemitneuem
Sinn zu erfüllen und dadurch für uns zurückzugewinnen.“109 Ganz dieserMei-
nung ist man schon beimWest-Berliner Treffen des „Kongresses für kulturelle
Freiheit“ (CCF,26.bis30. Juni1950),einervonderCIAfinanziertenKulturorgani-
sation,welche ZeitschriftenwieDerMonat,Preuves,FORVMundEncounterun-
terstützt undsich schonmit ihremNamen im ‚KriegderWorte‘klarpositioniert.
Zugehörige wie Manès Sperber, Arthur Koestler und Melvin J. Lasky äußern,
„daßdieHauptursachedergegenwärtigenweltweitenUnsicherheitdurchdiePo-
litik von Regierungen entsteht, die sich mit Worten zum Frieden bekennen“,
nichtabermitTaten:
Die Geschichte lehrt, daßmanKriege unter jedembeliebigen Schlagwort vorbereiten und
führen kann, auch unter dem Schlagwort des Friedens. „Friedenskampagnen“, hinter
denenkeinBeweiseinesechtenFriedenswillenssteht,gleichendemPapiergeldeinerunge-
decktenWährung.DieWeltwirderstdanngeistiggesundenund ihreSicherheitwiederfin-
den,wenndiesesFalschgelddesFriedensnichtmehrfürbareMünzegenommenwird.110
Anfangder fünfziger Jahre ist dieWestintegrationÖsterreichs soweit fortgeschrit-
ten, dass der Kulturbetrieb auchohne amerikanisches Zutunganz auf Seitendes
Antikommunismus steht,was das „Niederhalten […] kritischer Intelligenz“111 ein-
begreift, soDvořak.Die französischeBesatzungsmachtmuss indiesemKlimavon
ihremursprünglichenPlanabrücken, jedePolarisierungzuvermeiden,wie ihnDe
Broglieeinst formuliert:
Österreich ist eineWesenheit für sichundmußesbleiben. Es istwiederArmeinesWeg-
weisers, der sich zwischenOst undWest verbindendausstreckt; es ist dazuberufen, ein
LanddesAustauschesder IdeenundSystemezusein, einGradmesserderStrömungzwi-
schen zwei Zivilisationen. Alle Anstrengung der Westmächte, namentlich Frankreichs,
ihrenkulturellenEinfluß indiesemLandezuvermehren, ist dazuangetan,dasGleichge-
wichtzubefestigenunddadurchdieBeständigkeitdesFriedenszuerhöhen.112
108 Norbert Frei:Die fünfziger Jahre imSpiegel vonSchriftsteller-Autobiografien. In:Aspets-
berger,FreiundLengauer (Hg.):LiteraturderNachkriegszeit,S.59–74,hierS.63.
109 DieRedaktion:Unterunsgesagt. In:Kontinente8(1955),Nr.6,o.S.
110 [Sperber, Koestler, Lasky, Burnham, Schlesinger und Hook:] Manifest. In: Der Monat,
1950,Nr. 22/23,S.483–484,hierS.483.
111 Dvořak:ThesenzursoziokulturellenEntwicklung inÖsterreich1933bis 1955,S.32.
112 DeBroglie:VonderSeinezuInnundEtsch,S. 174.
8.2WendepunktWien:SchmutzigeHände 287
Existentialismus in Österreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Titel
- Existentialismus in Österreich
- Untertitel
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Autor
- Juliane Werner
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 378
- Kategorie
- Kunst und Kultur