Seite - 295 - in Existentialismus in Österreich - Kultureller Transfer und literarische Resonanz
Bild der Seite - 295 -
Text der Seite - 295 -
MenschenallerNationenund,wie ichhoffe, aller politischenAnsichten eineBemühung
unternehmen, sichzuverständigen, istderAugenblickschlechtgewählt, geradedort alte
Angriffewiederaufzunehmen153.
Der Leiter des betroffenen Theaters am Parkring, Erich Neuberg, ist sich keines
Scharmützelsbewusst,vielmehrhabeer„dasRechtaufSartresStückimMärz1952
erworben, ineinemAugenblick, indemkeinMenschahnenkonnte,daßderAutor
jemals einemkommunistisch einberufenenKongreß beiwohnenwürde. Aufmei-
ner Bühnewird keinePropagandagetrieben.“154Neubergbeharrt auf der für den
6.Dezember1952angesetztenundzeitaufwendiggeprobtenPremiere,umseinjun-
gesHaus (die „besteund lebendigsteBühnederStadt“155 lautWeigel) vordemfi-
nanziellen Ruin zu retten. Sartre behält – unter erheblichem finanziellen
Aufwand156–das letzteWort undbietet Neuberg in „einer persönlichenAusspra-
che“ als Kompensation „tantiemenfrei sein jüngstes, aufsehenerregendes Stück
‚DerTeufelundder liebeGott‘“157an,wasdieserausPrinzipablehnt.Umweiteren
UnannehmlichkeitendieserArt vorzubeugen, geht Sartre, der dasStückauchan-
dernorts (Spanien,Griechenland, Indochina)untersagen lässt, einenSchrittweiter
und beschließt, es nur nochmit Einverständnis der Kommunistischen Partei des
jeweiligenLandeszuautorisieren.DieseVerfügungwirdvomZürcherEuropa-Ver-
lagnichtallzuernstgenommen,wiesichzeigt,alszwei JahrespäterdasVolksthe-
aterunterDirektorLeonEppohneHindernissedieAufführungsrechteerwirbtund
sichdesDramas,nachdemgescheitertenVersuchvon1950, ineinemzweitenAn-
lauf 1954annimmt.SartreerreichtdieNachrichtkurzfristig inSalzburg,woersich
gerade von dem strapaziösen Jahr 1954 erholt. Simone de Beauvoir erinnert sich
andenMoment inLaForcedeschoses:
In Salzburg, in einemHotel derAltstadt, das seine ganzeAnmutwiderspiegelte, fing Sartre
anzuarbeiten.Erhatte sichwiedergefunden.WirbesichtigtendieGegendmit ihrenBergen
undSeenund fuhren eineWoche später nachWien.AufGrundeinesVertrages, denNagel
ohneSartres Zustimmungunterzeichnethatte,wurdeeineAufführungvonLesMaines sales
vorbereitet. Die Friedensbewegung hatte ihn darauf aufmerksam gemacht. Er protestierte
underläuterte seineGründeaufderPressekonferenz.Endlichsah ich imMuseumdieBrueg-
hels,dieDonau,denRing,denPraterunddiealtenKaffeehäuser,vondenenmanmir soviel
153 Jean-Paul Sartre. In: o. V.: Sartre besteht auf Zurückziehung seines Stückes. In: Österrei-
chischeZeitung, 19.11.1952.
154 ErichNeuberg. In:o.V.:Sartre.SchmutzigeHände. In:DerSpiegel, 26.11.1952.
155Weigel:BriefausWien,S. 180.
156 Neuberg verlangt 40.000 Schilling Schadenersatz, was 1952 etwa dem Dreifachen des
durchschnittlichen ArbeitnehmerInnen-Jahreseinkommens entspricht. Cf. Löhne, Gehälter
undMasseneinkommen inÖsterreich 1950–1957. In:Monatsberichte desÖsterreichischen In-
stituts fürWirtschaftsforschung31,Oktober 1958,BeilageNr.54,S. 1–16,hierS.4.
157 o.V.:AusgleichsangebotSartresanTheateramParkring. In:WienerKurier,05.01.1953.
8.2WendepunktWien:SchmutzigeHände 295
Existentialismus in Österreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Titel
- Existentialismus in Österreich
- Untertitel
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Autor
- Juliane Werner
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 378
- Kategorie
- Kunst und Kultur