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PROLOG
FERDINAND UND SEINE BERATER
In einem Brief an seine beiden ältesten Söhne hat Ferdinand selbst einmal ein-
dringlich dargelegt, wie sehr ein Fürst auf tüchtige und loyale Ratgeber ange-
wiesen sei1. Er pflegte wichtige Probleme mit seinen Räten eingehend zu erör-
tern oder sie kompetenten Sachverständigen zur Begutachtung vorzulegen.
Manchmal wurden auch Gutachten der oberösterreichischen Regierung in
Innsbruck angefordert oder von dieser Behörde eingereicht. Als Institution für
die Beratung solcher „hochschweren und geheimen Sachen“, insbesondere „wie
mit fremden Potentaten zu praktizieren, wie fremden Praktiken fürzukommen
sei“, hatte Ferdinand sich schon früh – wohl vor 1527, vielleicht nach spani-
schem Vorbild – den Geheimen Rat geschaffen2. Dem Gremium gehörte nur
ein ganz kleiner Kreis von Mitarbeitern an, neben dem Kanzler, Hofmeister
und Hofmarschall meistens der oberste Kanzler der Krone Böhmen sowie ein
paar besonders geschätzte Räte, insgesamt kaum mehr als sechs Personen3. Den
erhaltenen, leider größere Lücken aufweisenden Protokollen seines Geheimen
Rates läßt sich entnehmen, daß Ferdinand häufig an den Sitzungen teilgenom-
men hat und auf der Basis der dortigen Erwägungen Entscheidungen traf, doch
gewähren sie durch die Art, wie sie geführt wurden, nur selten Einblick in das
Für und Wider bei der Entscheidungsfindung und den Anteil des Kaisers daran,
weil Kontroversen und sein Votum dazu nicht festgehalten wurden; gelegent-
lich sind von ihm verlangte Ergänzungen zu auszufertigenden Schreiben no-
tiert4. Insgesamt vermitteln die Quellen den Eindruck – dessen Bestätigung dem
Hauptteil überlassen werden muß –, daß er in der Lage war, freimütige Kritik
zu ertragen und sich danach zu korrigieren5. Es kam aber auch vor, daß Ferdi-
nand die Empfehlungen seiner Räte abmilderte6 oder nicht befolgte und sogar
als töricht abkanzelte7. In seinen letzten Lebensjahren scheint Ferdinand sich
angewöhnt zu haben, bei diplomatischen Audienzen erst nach Rücksprache mit
seinen Beratern verbindliche Antworten zu erteilen oder sie ganz dem Hofrat
1 Bucholtz 9, S. 465–471, bes. S. 468f, diese Passage übersetzt ebda. 6, S. 482f; vgl. dazu Fichtner,
Christian Virtue
2 Rosenthal, S. 82; Fellner, Geschichte, S. 272 (dort das Zitat)
3 Fellner/Kretschmayr I/1, S. 44ff; Hintze, S. 141f; Rosenthal, S. 84f; Huber, Geschichte 4, S. 211f
4 Vgl. Groß, S. 155ff u. 164f
5 So kritisierte Zasius einmal, der Kaiser halte sich viel zu lange in Prag auf, während seine Prä-
senz „im Reich“ zur Verhinderung „widerwärtiger Anschläge“ unbedingt vonnöten sei (HHStA
Wien, Berichte aus dem Reich 6b, Bogen 33–35: Zasius an F., Augsburg, 28.10.1561). Dazu
Selds Dorsalvermerk: „Ir Mt. will darauf bedacht sein“.
6 Ein sehr scharf formuliertes Mandat des Reichshofrats an die Städte Braunschweig, Lüneburg
und Lübeck in einer Streitsache mit Bremen wurde auf seinen Befehl „ettwas moderiert“, wobei
sämtliche Schärfen gestrichen wurden (HHStA Wien, RHRP 21, fol 20r/v: Eintrag zum
9.3.1563).
7 Vgl. Goetz, Beiträge, S. 188 Anm. 2
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Titel
- Ferdinand I. als Kaiser
- Untertitel
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Autor
- Ernst Laubach
- Verlag
- Aschendorff Verlag
- Ort
- Münster
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 786
- Schlagwörter
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Kategorie
- Biographien