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Kapitel 1: Ferdinand und der Augsburger
Religionsfrieden110
durch verbesserung des landfriedens und an- und aufrichtung einer zuvor im hl.
reich ungewonlichen wirklichen und gewissen execution und hülfe nicht das
schwert und eine macht wider uns selbst in die hand gegeben werden möge“454.
Dieser Maxime entsprechend war der Einfluß der Reichsspitze im Entwurf des
Kurfürstenrates auf Null gesenkt, wobei die Einzelheiten hier größtenteils bei-
seite bleiben können. Die Bestellung von ständigen Generalobersten war ersetzt
durch die Bestimmung, daß der Kurfürst von Mainz (und nicht der Kaiser!) in
Fällen, welche den Einsatz von mehr als fünf Kreisen erforderten, einen Depu-
tationstag nach Frankfurt einberufen sollte, dem natürlich alle Kurfürsten sowie
bestimmte weitere Reichsstände angehören sollten, um über zweckdienliche
Maßnahmen zu beraten; eine Vertretung des Kaisers oder Königs war nicht
vorgesehen. Sollte dieses Gremium zu der Ansicht kommen, das Aufgebot aller
Kreise sei zu schwach, sollte der Kaiser bzw. König zur Ansetzung eines
Reichstags aufgefordert werden455. –
Bei der Ordnung für das Reichskammergericht hatte man sich geeinigt, Hin-
dernisse für eine Präsentation protestantischer Beisitzer aus dem Wege zu räu-
men, um eine Vorgabe des Passauer Vertrages einzulösen. Sie lagen einerseits in
der bisherigen Eidesformel („bei Gott und den Heiligen“), andererseits in der
Sorge, solche protestantischen Beisitzer könnten nach konfessionellen Ge-
sichtspunkten votieren. In Zukunft sollten Kammerrichter und Beisitzer „zu
Gott und auf das heilige Evangelium“ schwören456 und verpflichtet sein, „nach
des reichs gemeynen rechten, abschiedt und dem jetzt bewilligten und auf disem
reichstag aufgerichten frieden in religion und andern sachen“ zu richten457.
Außerdem aber schlugen die Kurfürsten eine tiefgreifende Änderung beim
Ächtungsverfahren vor: Personen fürstlichen Standes sollten künftig nicht mehr
durch das Gericht allein in die Reichsacht erklärt werden, sondern nur nach
Einschaltung eines Ausschusses, in dem Kaiser, Kurfürsten und deputierte Für-
sten den Fall beraten und nach Möglichkeit einen Vergleich herbeiführen oder
die Exekution vorbereiten sollten458. Offenbar sollte, weil im Unterschied zu
den beiden letzten Reichstagen die Stellung des Kaisers angeschlagen war, die
Gelegenheit genutzt werden, um ein Instrument stumpf zu machen, das in der
Hand eines entschlossenen Reichsoberhauptes zum Ausbau der Staatlichkeit
des Reiches eingesetzt werden konnte.
Nach Angabe der hessischen Gesandten ist es im Fürstenrat zu „harten Dis-
kussionen“ über einige Artikel gekommen, wobei es den Österreichern nur
454 Druffel 4, S. 661f: Kram an Kurfürst August, 23. 4. 1555
455 Kohler, Sicherung, S. 154 nach dem kurfürstlichen Entwurf im HHStA Wien. Die letzte Rege-
lung, im § 67 Bestandteil des Abschieds geworden, bedeutet aber noch lange nicht, „daß der Kai-
ser von sich aus nicht mehr das Recht hatte, einen Reichstag zu berufen“ (so Angermeier, S.
322).
456 Diese Formel hatte Ferdinand schon in der Diskussion über die Proposition empfohlen, s. oben
S. 44f.
457 Zitiert nach Laufs, Reichskammergerichtsordnung, S. 151. Zu den Beratungen ebda., S. 22ff u.
Ranke, Reformation 5, S. 300f.; Bröhmer, S. 9 u. S. 18f
458 Der Vorstoß ging anscheinend von Kursachsen aus, aber nur der Mainzer Vertreter erhob Ein-
wände (Ernst, Bw. 3, S. 262 Anm.).
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Titel
- Ferdinand I. als Kaiser
- Untertitel
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Autor
- Ernst Laubach
- Verlag
- Aschendorff Verlag
- Ort
- Münster
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 786
- Schlagwörter
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Kategorie
- Biographien