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Der Reichstag unter Ferdinands persönlicher Leitung 177
gen Anstrengungen der habsburgischen Brüder für ein Konzil, um die grund-
sätzlich positive Einstellung dazu nochmals zu unterstreichen. Es folgte die
Warnung, auf dem gegenwärtig aussichtslosen Konzil zu bestehen, sei ein Feh-
ler, denn das würde der Gegenseite das wohlfeile Argument liefern, die Geistli-
chen bzw. die Katholiken überhaupt scheuten sich, „ire sache vor menigklichen
an tag zu thuen“, und schlügen deshalb Mittel und Wege vor, „so sie vorhin
wusten, das sie nit ins werk gericht werden konten“. Das vom König vorgese-
hene Verfahren, die Probleme „allein ratsweis freuntlich und vertraulich“ zu
beraten und die Ergebnisse danach den Ständen und ihm selbst zu weiterer
Erwägung vorzulegen, sei „ein pillicher weg, so von niemands mit fugen
gethadelt werden moge“. Wegen der Wichtigkeit für das zeitliche und ewige
Heil sollten die Geistlichen einwilligen, „in sonderlicher betrachtung das solch
christenlich gesprech kein theill und niemandes abpruchig oder verpundlich
sein werde“, denn die Stände sollten grundsätzlich die Möglichkeit behalten, die
Ergebnisse anzunehmen oder abzulehnen; indessen sei es doch auch denkbar,
daß die Gegenseite sich durch sachliches Gespräch überzeugen ließe, von eini-
gen „puncten und unfug abzusteen und sich widerumb in den schoß der alge-
meinen christlichen kirchen zu begeben“212 – ein Gedanke, der aus dem Gut-
achten des Staphylus übernommen sein könnte. Auch hier ergriff Ferdinand
anschließend selbst das Wort zu dem Appell, man möge sich als „amicos pacis
et concordiae ostendirn und erzeigen“213.
Die Protestanten, die sich vor Übergabe ihrer Supplikation auf Mitarbeit in
einem „unverbindlichen“ Kolloquium geeinigt hatten214, waren von Ferdinands
Vorstellungen irritiert. Es sei unmöglich, hielt der württembergische Gesandte
Eislinger als Ergebnis ihrer internen Erörterung fest, hier am Reichstag über die
„präparativen“ Verhandlungen, d.h. die „Geschäftsordnungsfragen“, hinauszu-
gehen und sogleich die Religionsvergleichung „prinzipaliter“ vorzunehmen,
denn vorher müßten sich die Theologen verständigen und dafür erst zusam-
mengeholt werden215. Beide Schritte wollte Ferdinand wegen des damit ver-
bundenen Zeitaufwandes und wegen ihrer Risiken für ein positives Ergebnis
gerade überspringen! Herzog Christoph witterte sogar die Gefahr, mit der
Rückkopplung an den Reichstag sei beabsichtigt, die Protestanten dort schließ-
lich zu überstimmen, und ordnete an, auf öffentlicher Diskussion zu beharren,
weil diese Probleme nicht durch eine Privatkonsultation beigelegt werden
könnten216.
Aber auch die Geistlichen ließen sich von Ferdinands Konzept nicht über-
zeugen. In ihren internen Beratungen am 29. Dezember, bei denen keine Ver-
treter der katholischen weltlichen Fürsten zugegen waren, sprachen sich die
meisten Anwesenden zwar dafür aus, dem Wunsch des Königs „gehorsam zu
212 HHStA Wien, MEA RTA 43, fol 128r-130r: Protokollauszug; ebda 44a Konv. 2, fol 100vff;
weitere Überlieferung nennt Bundschuh, S. 192 Anm. 74. Kurzes Referat bei Bucholtz 7, S. 365
213 Bundschuh, S. 193
214 Ernst, Bw. 4, S. 230: Bericht v. 18.12.1556
215 Ernst, Bw. 4, S. 240 Anm. 3: Sonderbericht Eislingers vom 28.12.1556
216 Ernst, Bw. 4, S. 244f.
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Titel
- Ferdinand I. als Kaiser
- Untertitel
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Autor
- Ernst Laubach
- Verlag
- Aschendorff Verlag
- Ort
- Münster
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 786
- Schlagwörter
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Kategorie
- Biographien