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Kapitel 2: Der Regensburger
Reichstag178
sein“ und sich darum einem Colloquium nicht zu verweigern217. Doch gerade
das Kernstück der Resolution stieß auf Kritik, die Dr. Welsinger auf den Punkt
brachte: Den Religionsausschuß selbst als Colloquium zu konstituiern, sei „nit
furtreglich, in ansehung, das die jetzt verordneten im ausschuß nit theologi
weren“. Konrad Braun beanstandete sowohl das Verlangen des Königs nach
ausgleichswilligen „friedliebenden“ Gesprächsteilnehmern als auch die ungere-
gelte vertrauliche Beratungsweise; es bedürfe vielmehr zur Verteidigung der
Wahrheit bereiter Männer, und das Colloquium müsse in Sachfragen unbe-
schränkt und nach vorher genau zu regelnder Ordnung, also sehr wohl „weit-
läufig“, durchgeführt werden. Diese Argumentation findet ihre Erklärung in
Brauns einschlägigen Erfahrungen während des Wormser Religionsgespräches
1540/41, zu dessen Präsidium er als damaliger Mainzer Vizekanzler gehört hat-
te218. Die persönliche Teilnahme der Bischöfe lehnte er als unzumutbar ab, weil
es mit ihrem Eid unvereinbar sei, mit Leuten zu unterhandeln, welche die Auto-
rität der Kirche bestritten219. Da aber auch Braun Ferdinand guten Willen atte-
stierte, schlug er vor, der König möge dazu bewogen werden, das Colloquium
aus eigener Machtvollkommenheit anzusetzen, und der Papst sei um die Ent-
sendung eines Nuntius zu bitten.
Nimmt man die getrennten Beratungen der Protestanten und der Geistlichen
um die Jahreswende 1556/57 gemeinsam in den Blick, so muß man bilanzieren,
daß Ferdinands Kerngedanke kaum Chancen auf Realisierung hatte. Sein Vor-
schlag war nicht nur von den konkreten Vorstellungen, die beide Gruppen mit
einem Colloquium verbanden, weit entfernt, er lief im Grunde, was Konrad
Braun richtig erkannte und sogleich attackierte, auf eine Kombination von zwei
Wegen hinaus: Das Religionsgespräch sollte in eine Reichsversammlung ein-
münden220. Durch die Verankerung in mehreren offiziellen Dokumenten des
Reichs hatte die Aufzählung jener „vier Wege“ inzwischen einen Stellenwert
bekommen, der es nun erschwerte, mit einer weiteren Alternative davon abzu-
weichen.
In den nächsten Tagen verständigten sich die Geistlichen auf eine Antwort an
den König, die ihm am 5. Januar 1557 überreicht wurde221. Darin bekräftigten
sie noch einmal, der einzige ordentliche Weg sei das Konzil, erklärten sich aber
zu einem Colloquium bereit, um dem – von Ferdinand ja angedeuteten – Vor-
wurf zu begegnen, „man scheue das licht“. Dafür stellten sie vier Vorbedingun-
gen auf: Die Teilnehmer dürften keine verbindlichen Beschlüsse fassen, dem
Konzil als eigentlich zuständigem Gremium dürfe in keiner Weise präjudiziert
werden, die Eide und Pflichten der Bischöfe dürften nicht berührt werden, die
217 Zu den Verhandlungen der Geistlichen am 29.12.1556 eingehend Bundschuh, S. 198ff; das
nachfolgende Zitat S. 200.
218 Rößner, S. 74ff
219 Bundschuh, S. 201 Anm. 97
220 „Das man die sachen widerumb solle im reichsrath komen lassen, darauß erfolgte, das es ein
reichshandlung würde, welcher weg verworfen worden“ (HHStA Wien, MEA RTA 44a, fol
239v; zitiert bei Bundschuh, S. 201 Anm. 97).
221 Eine Kopie in HHStA Wien, MEA 43, fol 156r-159r; weitere Überlieferung nennt Bundschuh,
S. 205 Anm. 106
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Titel
- Ferdinand I. als Kaiser
- Untertitel
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Autor
- Ernst Laubach
- Verlag
- Aschendorff Verlag
- Ort
- Münster
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 786
- Schlagwörter
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Kategorie
- Biographien