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Kapitel 3: Die Übernahme des Kaisertums
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die Kurfürsten mitspielen würden125, hatte der König sich entschlossen, die
weitestgehende Variante für die Übertragung des Kaisertums vortragen zu las-
sen.
Schon der erste Satz der königlichen Proposition betonte eine gemeinsame
Verantwortung von König und Kurfürsten für das Reich und die Bedeutung
ihrer Konferenz für die Erhaltung der kurfürstlichen „Autorität und Präemi-
nenz“126. In den nächsten Sätzen aber erkannte der König den Kurfürsten eine
Stellungnahme zu der sogleich anzuhörenden Botschaft des Kaisers zu, wäh-
rend er seine eigene Rolle mit „raten, helffen und fördern“ umschrieb. Außer-
dem bot er an, mit ihnen auch über andere Reichsangelegenheiten, insbesondere
über alles, was zur Sicherung von Ruhe und Frieden dienlich sei, zu beraten. Es
sollte nicht nur kein Zweifel aufkommen, daß Ferdinand eine Sonderstellung
und -verantwortung der Kurfürsten anerkannte, er bemühte sich um eine gera-
dezu „kollegiale“ Atmosphäre127.
Danach trug Karls letzter Reichsvizekanzler Seld die Botschaft des Kaisers
vor, jedoch nicht die eigentliche Instruktion, sondern einen Auszug128. Darin
wandte sich Kaiser Karl an „des heiligen Reiches sieben Kurfürsten“; insofern
wurde Ferdinand als Inhaber der böhmischen Kurstimme mit angesprochen.
Nach Bemerkungen über die hohe Verantwortungslast, die mit dem Kaisertum
verbunden sei, über seinen Gesundheitszustand und die Übergabe seiner Er-
blande an seinen Sohn Philipp erklärte Karl, für das Reich halte er es für den
richtigen Weg, daß nun Ferdinand, der von den Kurfürsten gewählte Römische
König, dem „im mangel und abgang unser Person ... die Administration und
Verwaltung deß heiligen Reichs one Mittel und unwidersprechlich zustünde
und gebürte“, sein Nachfolger sein solle, zumal er sich in der Verwaltung des
Reichs mehrfach hervorragend bewährt habe. Also habe er es für angebracht
erachtet, das Reich und das römische Kaisertum, „auch den Tittel, Namen, Wir-
den, Hoheit, Scepter unnd Kron“ seinem Bruder, dem Römischen Könige,
„frey, wissentlich, gäntzlich und unvollkommenlich [sic!] auch ewiglich unnd
unwiderrufflich abzutretten, zu ubergeben, auffzutragen, zuzustellen und zu
resignieren“, damit Ferdinand das Amt so führen könne, als wäre er „allein am
Leben und Regiment unnd wir allbereit mit Tode abgegangen“. Da diese
Handlung vornehmlich auch die Kurfürsten tangiere, habe er sie vorher davon
125 Am 25.2.1558 schrieb Seld noch an Albrecht von Bayern, es gehe die Rede, „das die Curfürsten
nit leichtlich oder gern zulassen werden, das die Kay.Mt. sich des reichs gentzlich verziehen
soll“ (BHStA München, KÄA 4306, fol 212r).
126 Gedruckt bei Goldast, Reichshändel, S. 950; Konzept in HHStA Wien, RK RTA 41; Kopie
ebda, MEA WuKA 4, fol 10v-11r.
127 Dotzauer, Entstehung, S. 11 sieht darin eine gezielte Mobilisierung der kurfürstlichen Ansprü-
che gegen die „gesamtständischen Repräsentanzansprüche des Reichstags“. M.E. verschiebt er
damit die Akzente. Es wurde oben gezeigt, daß Ferdinand mehrfach erwogen hat, die Frage auch
während eines Reichstages zu erledigen. Es waren die Kurfürsten, die auf der Sondertagung be-
standen haben.
128 Gedruckt bei Goldast, Reichshändel, S. 951f. In dem die wichtigsten Dokumente des Frankfur-
ter Tages in Abschrift enthaltenden Band im HHStA Wien, RK Rig 36 ist die am 25.2. von Seld
verlesene Erklärung als „Extrakt“ bezeichnet (fol 5r-7r); auch die protokollarischen Aufzeich-
nungen im Bestand MEA WuKA benutzen diesen Terminus.
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Titel
- Ferdinand I. als Kaiser
- Untertitel
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Autor
- Ernst Laubach
- Verlag
- Aschendorff Verlag
- Ort
- Münster
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 786
- Schlagwörter
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Kategorie
- Biographien