Seite - 267 - in Ferdinand I. als Kaiser - Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
Bild der Seite - 267 -
Text der Seite - 267 -
Selds Gutachten 267
aber nur in enger Anlehnung und in Abhängigkeit von dem Papst“ charakteri-
siert hatte68; Castaldus gehörte 1558 der Gutachter-Kommission Pauls IV. an.
Die „erste Gesamtdarstellung des Reichsstaatsrechts“ (Paul Laband), den „Li-
bellus de Cesarea monarchia“ des Peter von Andlau, der damals freilich noch
nicht gedruckt war69, hat Seld anscheinend nicht gekannt, jedenfalls nicht be-
nutzt; in mehreren Punkten vertritt er eine abweichende Meinung.
In seiner Einleitung70 ordnet Seld den von Paul IV. begonnenen Streit als
neues Glied einer langen, bis in das frühe Mittelalter zurückreichenden Kette
von einzeln aufgezählten Versuchen zu, die Oberhoheit des Papsttums über das
Kaisertum zu fixieren. Seit der Spaltung des römischen Reiches hätten sich die
Beziehungen zwischen Kaisern und Päpsten insofern umgekehrt, als früher die
Päpste von den Kaisern erst unterdrückt und dann beschützt worden, mithin
von ihnen abhängig gewesen wären, danach aber sei es als Folge des päpstlichen
Strebens nach weltlicher Macht zu Konflikten gekommen, in denen die Päpste
Unterstützung durch die französischen Könige und leider des öfteren auch
durch deutsche Fürsten erhalten hätten, so daß das Kaisertum niedergedrückt
worden sei, ja „die Khayser von den Bäpsten verfolgt und gemartert worden“71.
Letzter Höhepunkt sei der Konflikt zwischen Ludwig IV. (dem Bayern) und
Papst Johannes XXII. sowie dessen Nachfolgern gewesen, danach habe das
große Schisma Kaiser und Reich in dieser Hinsicht eine Ruhepause verschafft.
Aus verschiedenen Ursachen sei die Auseinandersetzung mit den vier letzten,
aus dem Hause Habsburg stammenden Kaisern nicht weitergeführt worden72.
Die gegenwärtige Erneuerung des Streits bewertet Seld als politisch kurz-
sichtigen Anachronismus73, der nicht nur das gesunkene Ansehen des Papst-
tums verkenne, sondern für die katholische Kirche im Reich fatale Folgen ha-
ben, ja ihren Untergang herbeiführen könne. Daraus ergab sich für ihn ein per-
sönliches Dilemma, das ebenso für Ferdinand galt: Als gehorsamer Sohn der
katholischen Kirche die Reputation des Reiches gegen die überzogenen römi-
schen Ansprüche verteidigen zu müssen, ohne dabei die Ehre Gottes und die
Verpflichtungen gegenüber der katholischen Religion, die es ja eigentlich zu
stützen galt, zu beeinträchtigen. So ist das Gutachten von dem Bemühen ge-
prägt, das „rechte Mittel“ zu treffen, dem Papst weder zu viel zu entziehen
noch zu weit nachzugeben74.
Aus dem historischen Verlauf des Streits über das Verhältnis von päpstlicher
und kaiserlicher Gewalt leitet Seld einen Grundsatz ab: Als maßgebend für die
Abgrenzung sind die Verhältnisse in der Spätantike anzusehen, während die im
Laufe des Mittelalters von den Päpsten aufgrund ihrer verschiedenen Erfolge
gegen einzelne Kaiser ins kanonische Recht eingefügten Setzungen vernachläs-
sigt werden dürfen: „was volgends, und fürnemlich zu der zeitt, als die Rho.
68 Bosbach, Papsttum, S. 54; vgl. auch Pütter 1, S. 110
69 Duchhardt, Kaisertum, S. 175 Anm. 3
70 fol 1r-6r/ S. 167–170
71 fol 4r/ S. 169
72 fol 3v-4v/ S. 169
73 fol 1r/ S.168, auch fol 4v/ S. 169
74 fol 7r-v / S. 170
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Titel
- Ferdinand I. als Kaiser
- Untertitel
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Autor
- Ernst Laubach
- Verlag
- Aschendorff Verlag
- Ort
- Münster
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 786
- Schlagwörter
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Kategorie
- Biographien